Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Und er spricht zu den Gefährten also: "Ihr Gefährten, meine theuren Brüder! Herzlich sehn' ich mich nach meiner Mutter: Lasset, Brüder, uns das Geld drum theilen, 25 Daß ein Jeder geh' zu seiner Mutter." Und ihm folgen gerne die Gefährten: Als ein Jeder nun sein Geld ausschüttet, Thun gar manchen Schwur sie: Diese schwören Bei dem Bruder, Jene bei der Schwester. 16) 30 Auch Nenad, der Hauptmann, bringt sein Geld dar, Und zu den Gefährten spricht er also: "Ihr Gefährten, meine theuren Brüder! Keinen Bruder hab' ich, keine Schwester. Schwören muß ich bei dem einz'gen Gotte: 35 Meine rechte Hand soll mir verdorren, Meines guten Rosses Mähne schwinden, Rosten mir der schneidend scharfe Säbel, Wenn ich mehr als dieses Geld besitze!" -- Als die Räuber nun das Geld getheilet, 40 Schwang Nenad sich auf sein gutes Rößlein, Und begab sich zu der alten Mutter. Freudiglich empfing sie ihn zum schönsten, Ihn mit jeglicher Bewirthung labend. Aber als sie bei der Mahlzeit saßen, 45 Sprach Nenad zu ihr die leisen Worte: "Liebe Mutter, Du verehrte Greisin! Brächt' es mir nicht Schande vor den Leuten, Und er spricht zu den Gefährten also: „Ihr Gefährten, meine theuren Brüder! Herzlich sehn' ich mich nach meiner Mutter: Lasset, Brüder, uns das Geld drum theilen, 25 Daß ein Jeder geh' zu seiner Mutter.“ Und ihm folgen gerne die Gefährten: Als ein Jeder nun sein Geld ausschüttet, Thun gar manchen Schwur sie: Diese schwören Bei dem Bruder, Jene bei der Schwester. 16) 30 Auch Nenad, der Hauptmann, bringt sein Geld dar, Und zu den Gefährten spricht er also: „Ihr Gefährten, meine theuren Brüder! Keinen Bruder hab' ich, keine Schwester. Schwören muß ich bei dem einz'gen Gotte: 35 Meine rechte Hand soll mir verdorren, Meines guten Rosses Mähne schwinden, Rosten mir der schneidend scharfe Säbel, Wenn ich mehr als dieses Geld besitze!“ — Als die Räuber nun das Geld getheilet, 40 Schwang Nenad sich auf sein gutes Rößlein, Und begab sich zu der alten Mutter. Freudiglich empfing sie ihn zum schönsten, Ihn mit jeglicher Bewirthung labend. Aber als sie bei der Mahlzeit saßen, 45 Sprach Nenad zu ihr die leisen Worte: „Liebe Mutter, Du verehrte Greisin! Brächt' es mir nicht Schande vor den Leuten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0194" n="128"/> <lg> <l>Und er spricht zu den Gefährten also:</l><lb/> <l>„Ihr Gefährten, meine theuren Brüder!</l><lb/> <l>Herzlich sehn' ich mich nach meiner Mutter:</l><lb/> <l>Lasset, Brüder, uns das Geld drum theilen, <note place="right">25</note></l><lb/> <l>Daß ein Jeder geh' zu seiner Mutter.“</l><lb/> <l>Und ihm folgen gerne die Gefährten:</l><lb/> <l>Als ein Jeder nun sein Geld ausschüttet,</l><lb/> <l>Thun gar manchen Schwur sie: Diese schwören</l><lb/> <l>Bei dem Bruder, Jene bei der Schwester. <note xml:id="ed16" n="16)" place="end" next="#edt16"/> <note place="right">30</note></l><lb/> <l>Auch Nenad, der Hauptmann, bringt sein Geld dar,</l><lb/> <l>Und zu den Gefährten spricht er also:</l> </lg><lb/> <lg> <l>„Ihr Gefährten, meine theuren Brüder!</l><lb/> <l>Keinen Bruder hab' ich, keine Schwester.</l><lb/> <l>Schwören muß ich bei dem einz'gen Gotte: <note place="right">35</note></l><lb/> <l>Meine rechte Hand soll mir verdorren,</l><lb/> <l>Meines guten Rosses Mähne schwinden,</l><lb/> <l>Rosten mir der schneidend scharfe Säbel,</l><lb/> <l>Wenn ich mehr als dieses Geld besitze!“ — </l> </lg><lb/> <lg> <l>Als die Räuber nun das Geld getheilet, <note place="right">40</note></l><lb/> <l>Schwang Nenad sich auf sein gutes Rößlein,</l><lb/> <l>Und begab sich zu der alten Mutter.</l><lb/> <l>Freudiglich empfing sie ihn zum schönsten,</l><lb/> <l>Ihn mit jeglicher Bewirthung labend.</l><lb/> <l>Aber als sie bei der Mahlzeit saßen, <note place="right">45</note></l><lb/> <l>Sprach Nenad zu ihr die leisen Worte:</l><lb/> <l>„Liebe Mutter, Du verehrte Greisin!</l><lb/> <l>Brächt' es mir nicht Schande vor den Leuten,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0194]
Und er spricht zu den Gefährten also:
„Ihr Gefährten, meine theuren Brüder!
Herzlich sehn' ich mich nach meiner Mutter:
Lasset, Brüder, uns das Geld drum theilen,
Daß ein Jeder geh' zu seiner Mutter.“
Und ihm folgen gerne die Gefährten:
Als ein Jeder nun sein Geld ausschüttet,
Thun gar manchen Schwur sie: Diese schwören
Bei dem Bruder, Jene bei der Schwester.
¹⁶⁾
Auch Nenad, der Hauptmann, bringt sein Geld dar,
Und zu den Gefährten spricht er also:
„Ihr Gefährten, meine theuren Brüder!
Keinen Bruder hab' ich, keine Schwester.
Schwören muß ich bei dem einz'gen Gotte:
Meine rechte Hand soll mir verdorren,
Meines guten Rosses Mähne schwinden,
Rosten mir der schneidend scharfe Säbel,
Wenn ich mehr als dieses Geld besitze!“ —
Als die Räuber nun das Geld getheilet,
Schwang Nenad sich auf sein gutes Rößlein,
Und begab sich zu der alten Mutter.
Freudiglich empfing sie ihn zum schönsten,
Ihn mit jeglicher Bewirthung labend.
Aber als sie bei der Mahlzeit saßen,
Sprach Nenad zu ihr die leisen Worte:
„Liebe Mutter, Du verehrte Greisin!
Brächt' es mir nicht Schande vor den Leuten,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/194 |
Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/194>, abgerufen am 17.06.2024. |