Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Wär's nicht Sünde vor des Herren Augen, Fragen würd' ich Dich, o meine Mutter: 50 Warum gabst Du mir nicht einen Bruder, Warum mir nicht eine liebe Schwester? Bei der Theilung unter den Gefährten, Jeglicher verschwor sich hoch und theuer Bei dem Bruder oder bei der Schwester; 55 Aber ich, bei meinen Waffen mußt' ich, Bei mir selbst und meinem Rosse schwören." Lächelnd gab die Greisin ihm zur Antwort: "Sprich nicht thöricht, Sohn Nenad, Du Knabe! Wohl hab' ich 'nen Bruder Dir geboren, 60 Den Predrag, ihn eh'r als Dich geboren, Von dem gestern ich vernahm die Kunde, Daß ein Straßenräuber er geworden. In dem grünen Walde Garewitza, Wo als Hauptmann er die Bande führet." --65 Drauf entgegnete Nenad, der Knabe: "Liebe Mutter, Du verehrte Greisin, Wolle eine neue Tracht mir fert'gen! Kurz sey sie und ganz von grünem Tuche, Daß den Bäumen ich des Waldes gleiche! 70 Gehen will ich, meinen Bruder suchen, Daß sich mir die innre Sehnsucht stille." Drauf versetzt die alte liebe Mutter: "Sprich nicht thöricht, Sohn Nenad, Du Knabe! 9
Wär's nicht Sünde vor des Herren Augen, Fragen würd' ich Dich, o meine Mutter: 50 Warum gabst Du mir nicht einen Bruder, Warum mir nicht eine liebe Schwester? Bei der Theilung unter den Gefährten, Jeglicher verschwor sich hoch und theuer Bei dem Bruder oder bei der Schwester; 55 Aber ich, bei meinen Waffen mußt' ich, Bei mir selbst und meinem Rosse schwören.“ Lächelnd gab die Greisin ihm zur Antwort: „Sprich nicht thöricht, Sohn Nenad, Du Knabe! Wohl hab' ich 'nen Bruder Dir geboren, 60 Den Predrag, ihn eh'r als Dich geboren, Von dem gestern ich vernahm die Kunde, Daß ein Straßenräuber er geworden. In dem grünen Walde Garewitza, Wo als Hauptmann er die Bande führet.“ —65 Drauf entgegnete Nenad, der Knabe: „Liebe Mutter, Du verehrte Greisin, Wolle eine neue Tracht mir fert'gen! Kurz sey sie und ganz von grünem Tuche, Daß den Bäumen ich des Waldes gleiche! 70 Gehen will ich, meinen Bruder suchen, Daß sich mir die innre Sehnsucht stille.“ Drauf versetzt die alte liebe Mutter: „Sprich nicht thöricht, Sohn Nenad, Du Knabe! 9
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Wär's nicht Sünde vor des Herren Augen,
Fragen würd' ich Dich, o meine Mutter:
Warum gabst Du mir nicht einen Bruder,
Warum mir nicht eine liebe Schwester?
Bei der Theilung unter den Gefährten,
Jeglicher verschwor sich hoch und theuer
Bei dem Bruder oder bei der Schwester;
Aber ich, bei meinen Waffen mußt' ich,
Bei mir selbst und meinem Rosse schwören.“
Lächelnd gab die Greisin ihm zur Antwort:
„Sprich nicht thöricht, Sohn Nenad, Du Knabe!
Wohl hab' ich 'nen Bruder Dir geboren,
Den Predrag, ihn eh'r als Dich geboren,
Von dem gestern ich vernahm die Kunde,
Daß ein Straßenräuber er geworden.
In dem grünen Walde Garewitza,
Wo als Hauptmann er die Bande führet.“ —
Drauf entgegnete Nenad, der Knabe:
„Liebe Mutter, Du verehrte Greisin,
Wolle eine neue Tracht mir fert'gen!
Kurz sey sie und ganz von grünem Tuche,
Daß den Bäumen ich des Waldes gleiche!
Gehen will ich, meinen Bruder suchen,
Daß sich mir die innre Sehnsucht stille.“
Drauf versetzt die alte liebe Mutter:
„Sprich nicht thöricht, Sohn Nenad, Du Knabe!
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