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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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Herzen? Wo zwey versammelt sind, ist er
ja unter ihnen. Ich habe ewig an dir zu
athmen; meine Brust wird nie aufhören dich
in sich zu ziehn. Du bist die göttliche Herr¬
lichkeit, das ewige Leben in der lieblichsten
Hülle. -- Ach! Heinrich, du weißt das
Schicksal der Rosen; wirst du auch die wel¬
ken Lippen, die bleichen Wangen mit Zärt¬
lichkeit an deine Lippen drücken? Werden
die Spuren des Alters nicht die Spuren der
vorübergegangenen Liebe seyn? -- O! könn¬
test du durch meine Augen in mein Gemüth
sehn! aber du liebst mich und so glaubst [d]u
mir auch. Ich begreife das nicht, was man
von der Vergänglichkeit der Reitze sagt.
O! sie sind unverwelklich. Was mich so un¬
zertrennlich zu dir zieht, was ein ewiges
Verlangen in mir geweckt hat, das ist nicht
aus dieser Zeit. Könntest du nur sehn, wie
du mir erscheinst, welches wunderbare Bild

Herzen? Wo zwey verſammelt ſind, iſt er
ja unter ihnen. Ich habe ewig an dir zu
athmen; meine Bruſt wird nie aufhören dich
in ſich zu ziehn. Du biſt die göttliche Herr¬
lichkeit, das ewige Leben in der lieblichſten
Hülle. — Ach! Heinrich, du weißt das
Schickſal der Roſen; wirſt du auch die wel¬
ken Lippen, die bleichen Wangen mit Zärt¬
lichkeit an deine Lippen drücken? Werden
die Spuren des Alters nicht die Spuren der
vorübergegangenen Liebe ſeyn? — O! könn¬
teſt du durch meine Augen in mein Gemüth
ſehn! aber du liebſt mich und ſo glaubſt [d]u
mir auch. Ich begreife das nicht, was man
von der Vergänglichkeit der Reitze ſagt.
O! ſie ſind unverwelklich. Was mich ſo un¬
zertrennlich zu dir zieht, was ein ewiges
Verlangen in mir geweckt hat, das iſt nicht
aus dieſer Zeit. Könnteſt du nur ſehn, wie
du mir erſcheinſt, welches wunderbare Bild

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[263/0271] Herzen? Wo zwey verſammelt ſind, iſt er ja unter ihnen. Ich habe ewig an dir zu athmen; meine Bruſt wird nie aufhören dich in ſich zu ziehn. Du biſt die göttliche Herr¬ lichkeit, das ewige Leben in der lieblichſten Hülle. — Ach! Heinrich, du weißt das Schickſal der Roſen; wirſt du auch die wel¬ ken Lippen, die bleichen Wangen mit Zärt¬ lichkeit an deine Lippen drücken? Werden die Spuren des Alters nicht die Spuren der vorübergegangenen Liebe ſeyn? — O! könn¬ teſt du durch meine Augen in mein Gemüth ſehn! aber du liebſt mich und ſo glaubſt du mir auch. Ich begreife das nicht, was man von der Vergänglichkeit der Reitze ſagt. O! ſie ſind unverwelklich. Was mich ſo un¬ zertrennlich zu dir zieht, was ein ewiges Verlangen in mir geweckt hat, das iſt nicht aus dieſer Zeit. Könnteſt du nur ſehn, wie du mir erſcheinſt, welches wunderbare Bild

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/271>, abgerufen am 21.11.2024.