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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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Johannes frei zu geben, wie man jetzt überall mit den
politischen Gefangenen thue. Unterdeß sollten die Dorf-
bewohner sich bewaffnen und bis an das Thor der Stadt
ziehen, um nöthigenfalls, wenn die Freigebung verwei-
gert werden sollte, dieselbe zu erzwingen. Einige der
Burschen sollten unbewaffnet in die Stadt gehen und ih-
ren bekannten, zuverlässigen Bürgern und den ehemaligen
Turnern mittheilen, um was und um wen es sich han-
delte.

"Johannes hat für uns Alle mit ein halbes Jahr
im elenden Gefängniß verbracht, es ist nur unsre Schul-
digkeit, wenn wir jetzt unser Blut für ihn wagen!" Das
riefen die braven Burschen überall im Dorfe einander zu
und bereiteten sich vor zu ihrem edlen Werke.

Die Deputation, die sich zu dem Amtmann begab,
bestand aus Friedrich, dem Schulmeister, Traugott und
noch einem ältern Landmann. Es war Sonntag Nach-
mittag 3 Uhr, als sie bei dem Amtmann anlangten.
Es hieß, er wäre nicht zu sprechen.

"Zum Warten haben wir gar keine Zeit," sagte
Friedrich ruhig, aber in einem Tone, wie die Gerichtsleute
nicht gewohnt waren, daß ein Bauer mit ihnen redete.
"Sagt nur dem Herrn Amtmann, er möge die Güte ha-
ben und kommen, die Sache habe Eile und sei gar nicht
aufzuschieben."

Johannes frei zu geben, wie man jetzt uͤberall mit den
politiſchen Gefangenen thue. Unterdeß ſollten die Dorf-
bewohner ſich bewaffnen und bis an das Thor der Stadt
ziehen, um noͤthigenfalls, wenn die Freigebung verwei-
gert werden ſollte, dieſelbe zu erzwingen. Einige der
Burſchen ſollten unbewaffnet in die Stadt gehen und ih-
ren bekannten, zuverlaͤſſigen Buͤrgern und den ehemaligen
Turnern mittheilen, um was und um wen es ſich han-
delte.

„Johannes hat fuͤr uns Alle mit ein halbes Jahr
im elenden Gefaͤngniß verbracht, es iſt nur unſre Schul-
digkeit, wenn wir jetzt unſer Blut fuͤr ihn wagen!“ Das
riefen die braven Burſchen uͤberall im Dorfe einander zu
und bereiteten ſich vor zu ihrem edlen Werke.

Die Deputation, die ſich zu dem Amtmann begab,
beſtand aus Friedrich, dem Schulmeiſter, Traugott und
noch einem aͤltern Landmann. Es war Sonntag Nach-
mittag 3 Uhr, als ſie bei dem Amtmann anlangten.
Es hieß, er waͤre nicht zu ſprechen.

„Zum Warten haben wir gar keine Zeit,“ ſagte
Friedrich ruhig, aber in einem Tone, wie die Gerichtsleute
nicht gewohnt waren, daß ein Bauer mit ihnen redete.
„Sagt nur dem Herrn Amtmann, er moͤge die Guͤte ha-
ben und kommen, die Sache habe Eile und ſei gar nicht
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[325/0333] Johannes frei zu geben, wie man jetzt uͤberall mit den politiſchen Gefangenen thue. Unterdeß ſollten die Dorf- bewohner ſich bewaffnen und bis an das Thor der Stadt ziehen, um noͤthigenfalls, wenn die Freigebung verwei- gert werden ſollte, dieſelbe zu erzwingen. Einige der Burſchen ſollten unbewaffnet in die Stadt gehen und ih- ren bekannten, zuverlaͤſſigen Buͤrgern und den ehemaligen Turnern mittheilen, um was und um wen es ſich han- delte. „Johannes hat fuͤr uns Alle mit ein halbes Jahr im elenden Gefaͤngniß verbracht, es iſt nur unſre Schul- digkeit, wenn wir jetzt unſer Blut fuͤr ihn wagen!“ Das riefen die braven Burſchen uͤberall im Dorfe einander zu und bereiteten ſich vor zu ihrem edlen Werke. Die Deputation, die ſich zu dem Amtmann begab, beſtand aus Friedrich, dem Schulmeiſter, Traugott und noch einem aͤltern Landmann. Es war Sonntag Nach- mittag 3 Uhr, als ſie bei dem Amtmann anlangten. Es hieß, er waͤre nicht zu ſprechen. „Zum Warten haben wir gar keine Zeit,“ ſagte Friedrich ruhig, aber in einem Tone, wie die Gerichtsleute nicht gewohnt waren, daß ein Bauer mit ihnen redete. „Sagt nur dem Herrn Amtmann, er moͤge die Guͤte ha- ben und kommen, die Sache habe Eile und ſei gar nicht aufzuſchieben.“

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/333>, abgerufen am 22.11.2024.