wenn das Jemand sagte, dem würden wir nicht glau- ben, meinen, er rede dies nur, um uns böswillig in un- serm Heiligsten und Liebsten zu kränken. Damals wär' ich gewiß vor Gram und Sorgen gestorben, jetzt hat man ein zäheres Leben bekommen, und stirbt nicht gleich, wenn man auch wieder verlassen ist!"
"Hat Euch Euer Johannes wohl lange nicht ge- schrieben?" fragte die Pfarrerin theilnehmend.
"Das nun eben nicht, gewissenhaft bleibt er und schreibt aller vier Wochen, wie er's nun einmal ver- sprochen," antwortete Mutter Eva, "aber da sind nun schon Jahre vergangen und ich hab' ihn nicht wieder gesehen, weiß nun gar nicht einmal, wie er aussieht -- ach! und dann Frau Pfarrerin! ist ein Gelehter und Dichter aus ihm geworden und lauter vornehme Herren und Damen gehen mit ihm um -- ich aber bin eine alte schlichte Bauersfrau -- da wird mir manchmal ganz angst und bang' um's Herz, wenn ich da denk', er könnt' sich wohl seiner alten ehrlichen Mutter schä- men -- da möcht' ich doch gleich, daß der Herr Amt- mann ihn niemals gesehen hätt' und sich seiner nicht angenommen -- da wär' er jetzt Tagelöhner oder Knecht, aber wär' bei mir geblieben als mein lieber Junge und hielte mich in Ehren. Aber da hab' ich ihn hingeben müssen, weil's hieß, er werde sein Glück machen, wenn
wenn das Jemand ſagte, dem wuͤrden wir nicht glau- ben, meinen, er rede dies nur, um uns boͤswillig in un- ſerm Heiligſten und Liebſten zu kraͤnken. Damals waͤr’ ich gewiß vor Gram und Sorgen geſtorben, jetzt hat man ein zaͤheres Leben bekommen, und ſtirbt nicht gleich, wenn man auch wieder verlaſſen iſt!“
„Hat Euch Euer Johannes wohl lange nicht ge- ſchrieben?“ fragte die Pfarrerin theilnehmend.
„Das nun eben nicht, gewiſſenhaft bleibt er und ſchreibt aller vier Wochen, wie er’s nun einmal ver- ſprochen,“ antwortete Mutter Eva, „aber da ſind nun ſchon Jahre vergangen und ich hab’ ihn nicht wieder geſehen, weiß nun gar nicht einmal, wie er ausſieht — ach! und dann Frau Pfarrerin! iſt ein Gelehter und Dichter aus ihm geworden und lauter vornehme Herren und Damen gehen mit ihm um — ich aber bin eine alte ſchlichte Bauersfrau — da wird mir manchmal ganz angſt und bang’ um’s Herz, wenn ich da denk’, er koͤnnt’ ſich wohl ſeiner alten ehrlichen Mutter ſchaͤ- men — da moͤcht’ ich doch gleich, daß der Herr Amt- mann ihn niemals geſehen haͤtt’ und ſich ſeiner nicht angenommen — da waͤr’ er jetzt Tageloͤhner oder Knecht, aber waͤr’ bei mir geblieben als mein lieber Junge und hielte mich in Ehren. Aber da hab’ ich ihn hingeben muͤſſen, weil’s hieß, er werde ſein Gluͤck machen, wenn
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wenn das Jemand ſagte, dem wuͤrden wir nicht glau-
ben, meinen, er rede dies nur, um uns boͤswillig in un-
ſerm Heiligſten und Liebſten zu kraͤnken. Damals waͤr’
ich gewiß vor Gram und Sorgen geſtorben, jetzt hat
man ein zaͤheres Leben bekommen, und ſtirbt nicht gleich,
wenn man auch wieder verlaſſen iſt!“
„Hat Euch Euer Johannes wohl lange nicht ge-
ſchrieben?“ fragte die Pfarrerin theilnehmend.
„Das nun eben nicht, gewiſſenhaft bleibt er und
ſchreibt aller vier Wochen, wie er’s nun einmal ver-
ſprochen,“ antwortete Mutter Eva, „aber da ſind nun
ſchon Jahre vergangen und ich hab’ ihn nicht wieder
geſehen, weiß nun gar nicht einmal, wie er ausſieht —
ach! und dann Frau Pfarrerin! iſt ein Gelehter und
Dichter aus ihm geworden und lauter vornehme Herren
und Damen gehen mit ihm um — ich aber bin eine
alte ſchlichte Bauersfrau — da wird mir manchmal
ganz angſt und bang’ um’s Herz, wenn ich da denk’,
er koͤnnt’ ſich wohl ſeiner alten ehrlichen Mutter ſchaͤ-
men — da moͤcht’ ich doch gleich, daß der Herr Amt-
mann ihn niemals geſehen haͤtt’ und ſich ſeiner nicht
angenommen — da waͤr’ er jetzt Tageloͤhner oder Knecht,
aber waͤr’ bei mir geblieben als mein lieber Junge und
hielte mich in Ehren. Aber da hab’ ich ihn hingeben
muͤſſen, weil’s hieß, er werde ſein Gluͤck machen, wenn
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/46>, abgerufen am 23.11.2024.
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