"J," nahm die Kindtaufsmutter das Wort, "dem Berger sein Sohn ist Schreiber in der Stadt geworden und hat's nun bis zum Registrator gebracht. Da macht er sich nun gar wichtig. Kommt da einmal sein alter Vater in die Stadt und sucht den Sohn in dem Gast- haus, wo er zu essen pflegt mit seinen Kameraden und andern Leuten, die noch mehr sind. Wie nun der Va- ter eintritt, läuft der Sohn schnell auf ihn zu -- aber nicht, um ihn zu umarmen, wie er denkt, sondern um ihm zuzuraunen: "Kommt hernach mit auf meine Stube, hier kann ich Euch nicht sprechen vor den fremden Her- ren, thut nicht etwa vertraut mit mir, daß sie merken, Jhr wäret mein Vater -- ich rath' Euch Gutes."
"Das ist doch ganz niederträchtig!" riefen Einige der Gäste.
Johannes sagte: "Nun, Gott sei Dank, Mutter, daß Du vorhin sagtest, so könnte Dein Sohn nicht sein! wenn Du je mich hättest für einen solchen Schurken halten können -- ich hätt's nie vergessen!"
"Nun, brause nur nicht gleich auf!" sagte die Mutter besänftigend, aber die Welt ist nun einmal so, bedenk' einmal recht, glaub's schon, die Mutter würdest Du nie verleugnen und sie wegweisen, käm' sie einmal zu Dir -- aber käm' nun so ein armer Knecht, der auch Dein Schulkamerad gewesen und redete Dich vertraulich
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„J,“ nahm die Kindtaufsmutter das Wort, „dem Berger ſein Sohn iſt Schreiber in der Stadt geworden und hat’s nun bis zum Regiſtrator gebracht. Da macht er ſich nun gar wichtig. Kommt da einmal ſein alter Vater in die Stadt und ſucht den Sohn in dem Gaſt- haus, wo er zu eſſen pflegt mit ſeinen Kameraden und andern Leuten, die noch mehr ſind. Wie nun der Va- ter eintritt, laͤuft der Sohn ſchnell auf ihn zu — aber nicht, um ihn zu umarmen, wie er denkt, ſondern um ihm zuzuraunen: „Kommt hernach mit auf meine Stube, hier kann ich Euch nicht ſprechen vor den fremden Her- ren, thut nicht etwa vertraut mit mir, daß ſie merken, Jhr waͤret mein Vater — ich rath’ Euch Gutes.“
„Das iſt doch ganz niedertraͤchtig!“ riefen Einige der Gaͤſte.
Johannes ſagte: „Nun, Gott ſei Dank, Mutter, daß Du vorhin ſagteſt, ſo koͤnnte Dein Sohn nicht ſein! wenn Du je mich haͤtteſt fuͤr einen ſolchen Schurken halten koͤnnen — ich haͤtt’s nie vergeſſen!“
„Nun, brauſe nur nicht gleich auf!“ ſagte die Mutter beſaͤnftigend, aber die Welt iſt nun einmal ſo, bedenk’ einmal recht, glaub’s ſchon, die Mutter wuͤrdeſt Du nie verleugnen und ſie wegweiſen, kaͤm’ ſie einmal zu Dir — aber kaͤm’ nun ſo ein armer Knecht, der auch Dein Schulkamerad geweſen und redete Dich vertraulich
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„J,“ nahm die Kindtaufsmutter das Wort, „dem
Berger ſein Sohn iſt Schreiber in der Stadt geworden
und hat’s nun bis zum Regiſtrator gebracht. Da macht
er ſich nun gar wichtig. Kommt da einmal ſein alter
Vater in die Stadt und ſucht den Sohn in dem Gaſt-
haus, wo er zu eſſen pflegt mit ſeinen Kameraden und
andern Leuten, die noch mehr ſind. Wie nun der Va-
ter eintritt, laͤuft der Sohn ſchnell auf ihn zu — aber
nicht, um ihn zu umarmen, wie er denkt, ſondern um
ihm zuzuraunen: „Kommt hernach mit auf meine Stube,
hier kann ich Euch nicht ſprechen vor den fremden Her-
ren, thut nicht etwa vertraut mit mir, daß ſie merken,
Jhr waͤret mein Vater — ich rath’ Euch Gutes.“
„Das iſt doch ganz niedertraͤchtig!“ riefen Einige
der Gaͤſte.
Johannes ſagte: „Nun, Gott ſei Dank, Mutter,
daß Du vorhin ſagteſt, ſo koͤnnte Dein Sohn nicht ſein!
wenn Du je mich haͤtteſt fuͤr einen ſolchen Schurken
halten koͤnnen — ich haͤtt’s nie vergeſſen!“
„Nun, brauſe nur nicht gleich auf!“ ſagte die
Mutter beſaͤnftigend, aber die Welt iſt nun einmal ſo,
bedenk’ einmal recht, glaub’s ſchon, die Mutter wuͤrdeſt
Du nie verleugnen und ſie wegweiſen, kaͤm’ ſie einmal
zu Dir — aber kaͤm’ nun ſo ein armer Knecht, der auch
Dein Schulkamerad geweſen und redete Dich vertraulich
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/57>, abgerufen am 04.12.2024.
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