an, wenn Du mitten unter hohen Herrschaften wärest, sprächest doch am Ende, Du kenntest ihn nicht, oder er sollte Dich ungeschoren lassen bis Du allein mit ihm reden könntest -- und wer weiß, ob Du nicht irgend ein- mal gethan, als wenn Du kein Bauerssohn wärest!"
"Ach, Mutter, wie mögt Jhr mich nur Alle so be- trüben?" -- sagte Johannes "ich antworte auf dies Alles gleich gar nicht, aber es kränkt mich, daß Jhr so schlecht von mir denkt, ich weiß nicht, womit ich's verdient habe. Es wird da schon gut sein, wenn ich einmal lange hier bei Euch bleibe, damit Jhr mich wieder ordentlich kennen lernt. Vertheidigen mag ich mich nicht -- Eins aber könnt' ich wohl thun. Jhr habt schon gehört, daß ich Verse mache -- nun, da hab' ich neulich welche in ein großes Blatt rücken lassen, das viele Tausende lesen, da könnt Jhr darnach sehen, wie ich bin -- erlaubt Jhr mir, daß ich sie Euch vorlese?"
"Ei ja!" rief Alles und Johannes las:
Jm stillen Dorfe war's, wo ich geboren, Wo unterm Strohdach meine Wiege stand; Drum hab' ich Treu' dem biedern Volk geschworen, Bei dem mir meine Jugendzeit entschwand. Die Pflugschaar, hinter der mein Vater ging, Des armen Heerdes kümmerliche Flamme, Sie sind das Schönste, was ich früh empfing: Es ist mein Stolz, daß ich vom Volke stamme!
an, wenn Du mitten unter hohen Herrſchaften waͤreſt, ſpraͤcheſt doch am Ende, Du kennteſt ihn nicht, oder er ſollte Dich ungeſchoren laſſen bis Du allein mit ihm reden koͤnnteſt — und wer weiß, ob Du nicht irgend ein- mal gethan, als wenn Du kein Bauersſohn waͤreſt!“
„Ach, Mutter, wie moͤgt Jhr mich nur Alle ſo be- truͤben?“ — ſagte Johannes „ich antworte auf dies Alles gleich gar nicht, aber es kraͤnkt mich, daß Jhr ſo ſchlecht von mir denkt, ich weiß nicht, womit ich’s verdient habe. Es wird da ſchon gut ſein, wenn ich einmal lange hier bei Euch bleibe, damit Jhr mich wieder ordentlich kennen lernt. Vertheidigen mag ich mich nicht — Eins aber koͤnnt’ ich wohl thun. Jhr habt ſchon gehoͤrt, daß ich Verſe mache — nun, da hab’ ich neulich welche in ein großes Blatt ruͤcken laſſen, das viele Tauſende leſen, da koͤnnt Jhr darnach ſehen, wie ich bin — erlaubt Jhr mir, daß ich ſie Euch vorleſe?“
„Ei ja!“ rief Alles und Johannes las:
Jm ſtillen Dorfe war’s, wo ich geboren, Wo unterm Strohdach meine Wiege ſtand; Drum hab’ ich Treu’ dem biedern Volk geſchworen, Bei dem mir meine Jugendzeit entſchwand. Die Pflugſchaar, hinter der mein Vater ging, Des armen Heerdes kuͤmmerliche Flamme, Sie ſind das Schoͤnſte, was ich fruͤh empfing: Es iſt mein Stolz, daß ich vom Volke ſtamme!
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an, wenn Du mitten unter hohen Herrſchaften waͤreſt,
ſpraͤcheſt doch am Ende, Du kennteſt ihn nicht, oder er
ſollte Dich ungeſchoren laſſen bis Du allein mit ihm
reden koͤnnteſt — und wer weiß, ob Du nicht irgend ein-
mal gethan, als wenn Du kein Bauersſohn waͤreſt!“
„Ach, Mutter, wie moͤgt Jhr mich nur Alle ſo be-
truͤben?“ — ſagte Johannes „ich antworte auf dies Alles
gleich gar nicht, aber es kraͤnkt mich, daß Jhr ſo ſchlecht
von mir denkt, ich weiß nicht, womit ich’s verdient
habe. Es wird da ſchon gut ſein, wenn ich einmal
lange hier bei Euch bleibe, damit Jhr mich wieder
ordentlich kennen lernt. Vertheidigen mag ich mich
nicht — Eins aber koͤnnt’ ich wohl thun. Jhr habt
ſchon gehoͤrt, daß ich Verſe mache — nun, da hab’ ich
neulich welche in ein großes Blatt ruͤcken laſſen, das
viele Tauſende leſen, da koͤnnt Jhr darnach ſehen, wie
ich bin — erlaubt Jhr mir, daß ich ſie Euch vorleſe?“
„Ei ja!“ rief Alles und Johannes las:
Jm ſtillen Dorfe war’s, wo ich geboren,
Wo unterm Strohdach meine Wiege ſtand;
Drum hab’ ich Treu’ dem biedern Volk geſchworen,
Bei dem mir meine Jugendzeit entſchwand.
Die Pflugſchaar, hinter der mein Vater ging,
Des armen Heerdes kuͤmmerliche Flamme,
Sie ſind das Schoͤnſte, was ich fruͤh empfing:
Es iſt mein Stolz, daß ich vom Volke ſtamme!
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/58>, abgerufen am 16.07.2024.
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