munter, ja er schien eher an der eigenthümlichen Be- hendigkeit, welche oft kleinen dürren Männern so eigen ist, gewonnen als verloren zu haben.
"Und da soll nun wirklich der erste Gang in den Thurm sein? da muß ich die Schlüssel schon holen!" sagte er, war wie der Wind in das Haus, in die Stube hinein und eben so schnell auch wieder heraus. Das mächtige Schlüsselbund hatte er in der Hand.
"Ei!" lachte Johannes, "soll ich mich allemal mit dem ganzen Bund da schleppen? Jch meine, an ein oder zwei Schlüsseln wird's genug sein.
Der Vogt antwortete: "Es muß Alles seine Ord- nung haben -- und Sie sind ja kein Knabe mehr, der, was er zum hundertsten Male gesehen, doch immer wieder zu sehen verlangt und wird's wohl jetzt der erste und letzte Besuch sein, den sie diesmal unserm Thurm machen --"
"Weit gefehlt!" lachte Johannes.
"Nun, mich sollt's freuen, wenn Sie öfter kommen," erwiderte der Vogt, "aber der Geschmack ändert sich mit den Jahren."
"Wirklich? sollt' es Euch freuen -- ei, das wäre mir lieb, denn ungebet'ne Gäste -- das wissen Sie schon, wie das Sprichwort sagt," meinte Johannes, indem er einige bemooste Stufen, die von außen
munter, ja er ſchien eher an der eigenthuͤmlichen Be- hendigkeit, welche oft kleinen duͤrren Maͤnnern ſo eigen iſt, gewonnen als verloren zu haben.
„Und da ſoll nun wirklich der erſte Gang in den Thurm ſein? da muß ich die Schluͤſſel ſchon holen!“ ſagte er, war wie der Wind in das Haus, in die Stube hinein und eben ſo ſchnell auch wieder heraus. Das maͤchtige Schluͤſſelbund hatte er in der Hand.
„Ei!“ lachte Johannes, „ſoll ich mich allemal mit dem ganzen Bund da ſchleppen? Jch meine, an ein oder zwei Schluͤſſeln wird’s genug ſein.
Der Vogt antwortete: „Es muß Alles ſeine Ord- nung haben — und Sie ſind ja kein Knabe mehr, der, was er zum hundertſten Male geſehen, doch immer wieder zu ſehen verlangt und wird’s wohl jetzt der erſte und letzte Beſuch ſein, den ſie diesmal unſerm Thurm machen —“
„Weit gefehlt!“ lachte Johannes.
„Nun, mich ſollt’s freuen, wenn Sie oͤfter kommen,“ erwiderte der Vogt, „aber der Geſchmack aͤndert ſich mit den Jahren.“
„Wirklich? ſollt’ es Euch freuen — ei, das waͤre mir lieb, denn ungebet’ne Gaͤſte — das wiſſen Sie ſchon, wie das Sprichwort ſagt,“ meinte Johannes, indem er einige bemooſte Stufen, die von außen
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munter, ja er ſchien eher an der eigenthuͤmlichen Be-
hendigkeit, welche oft kleinen duͤrren Maͤnnern ſo eigen
iſt, gewonnen als verloren zu haben.
„Und da ſoll nun wirklich der erſte Gang in den
Thurm ſein? da muß ich die Schluͤſſel ſchon holen!“
ſagte er, war wie der Wind in das Haus, in die Stube
hinein und eben ſo ſchnell auch wieder heraus. Das
maͤchtige Schluͤſſelbund hatte er in der Hand.
„Ei!“ lachte Johannes, „ſoll ich mich allemal mit
dem ganzen Bund da ſchleppen? Jch meine, an ein
oder zwei Schluͤſſeln wird’s genug ſein.
Der Vogt antwortete: „Es muß Alles ſeine Ord-
nung haben — und Sie ſind ja kein Knabe mehr, der,
was er zum hundertſten Male geſehen, doch immer
wieder zu ſehen verlangt und wird’s wohl jetzt der erſte
und letzte Beſuch ſein, den ſie diesmal unſerm Thurm
machen —“
„Weit gefehlt!“ lachte Johannes.
„Nun, mich ſollt’s freuen, wenn Sie oͤfter kommen,“
erwiderte der Vogt, „aber der Geſchmack aͤndert ſich mit
den Jahren.“
„Wirklich? ſollt’ es Euch freuen — ei, das waͤre
mir lieb, denn ungebet’ne Gaͤſte — das wiſſen Sie
ſchon, wie das Sprichwort ſagt,“ meinte Johannes,
indem er einige bemooſte Stufen, die von außen
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/80>, abgerufen am 16.07.2024.
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