Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

er auf ein paar Stunden wenigstens Nichts sehe und höre von dieser Welt, deren Treiben ihn eben jetzt so anekelte -- aber er kehrte wieder um, als er an seiner auch schon offen stehenden Thüre ankam, und eilte die Straße entlang, durch das Thor, hinaus in's Freie.

Erst verdroß ihn die Lerche, die jubelnd neben ihm aus der Saat aufwirbelte, und sich in's Blaue des Himmels hineinstürzte -- verdroß ihm der Thau, der in luftigen Silberketten von Grashalm zu Grashalm schwebte, sah er die Blumen, die groß und wunderbar dem jungen Sonnenstrahl entgegen die Augen aufschlugen, verdrießlich an. -- Aber wie er so hastig immer weiter lief, und auf eine Höhe kam, von welcher herab er plötzlich einen weiten Blick thun konnte in die ganze lachende Gegend hinein: da ging ihm plötzlich das Herz auf -- da fühlte er, daß die Erde so schön sei, und die Natur so reich -- und immer heller ward sein Blick, und er sah die Natur an, wie eine erste, jungfräuliche Geliebte, von der ihn lange ein feindliches Schicksal und der eigne unstäte Sinn getrennt -- die aber jetzt ihm entgegentrat in aller Anmuth einer erblühten Schönheit, und ihn wieder zu sich zu ziehen strebte an ihre treue Brust. -- Da war ihm, als habe er hastig hintereinander viele Masken im wechselnden Spiel getragen, bald habe er sich für einen Salonmenschen, bald für einen Trunkenbold bald für einen theatralischen Liebhaber, bald für einen leidenschaftlichen

er auf ein paar Stunden wenigstens Nichts sehe und höre von dieser Welt, deren Treiben ihn eben jetzt so anekelte — aber er kehrte wieder um, als er an seiner auch schon offen stehenden Thüre ankam, und eilte die Straße entlang, durch das Thor, hinaus in’s Freie.

Erst verdroß ihn die Lerche, die jubelnd neben ihm aus der Saat aufwirbelte, und sich in’s Blaue des Himmels hineinstürzte — verdroß ihm der Thau, der in luftigen Silberketten von Grashalm zu Grashalm schwebte, sah er die Blumen, die groß und wunderbar dem jungen Sonnenstrahl entgegen die Augen aufschlugen, verdrießlich an. — Aber wie er so hastig immer weiter lief, und auf eine Höhe kam, von welcher herab er plötzlich einen weiten Blick thun konnte in die ganze lachende Gegend hinein: da ging ihm plötzlich das Herz auf — da fühlte er, daß die Erde so schön sei, und die Natur so reich — und immer heller ward sein Blick, und er sah die Natur an, wie eine erste, jungfräuliche Geliebte, von der ihn lange ein feindliches Schicksal und der eigne unstäte Sinn getrennt — die aber jetzt ihm entgegentrat in aller Anmuth einer erblühten Schönheit, und ihn wieder zu sich zu ziehen strebte an ihre treue Brust. — Da war ihm, als habe er hastig hintereinander viele Masken im wechselnden Spiel getragen, bald habe er sich für einen Salonmenschen, bald für einen Trunkenbold bald für einen theatralischen Liebhaber, bald für einen leidenschaftlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0121" n="111"/>
er auf ein paar Stunden wenigstens Nichts sehe und höre von dieser Welt, deren Treiben ihn eben jetzt so anekelte &#x2014; aber er kehrte wieder um, als er an seiner auch schon offen stehenden Thüre ankam, und eilte die Straße entlang, durch das Thor, hinaus in&#x2019;s Freie.</p>
        <p>Erst verdroß ihn die Lerche, die jubelnd neben ihm aus der Saat aufwirbelte, und sich in&#x2019;s Blaue des Himmels hineinstürzte &#x2014; verdroß ihm der Thau, der in luftigen Silberketten von Grashalm zu Grashalm schwebte, sah er die Blumen, die groß und wunderbar dem jungen Sonnenstrahl entgegen die Augen aufschlugen, verdrießlich an. &#x2014; Aber wie er so hastig immer weiter lief, und auf eine Höhe kam, von welcher herab er plötzlich einen weiten Blick thun konnte in die ganze lachende Gegend hinein: da ging ihm plötzlich das Herz auf &#x2014; da fühlte er, daß die Erde so schön sei, und die Natur so reich &#x2014; und immer heller ward sein Blick, und er sah die Natur an, wie eine erste, jungfräuliche Geliebte, von der ihn lange ein feindliches Schicksal und der eigne unstäte Sinn getrennt &#x2014; die aber jetzt ihm entgegentrat in aller Anmuth einer erblühten Schönheit, und ihn wieder zu sich zu ziehen strebte an ihre treue Brust. &#x2014; Da war ihm, als habe er hastig hintereinander viele Masken im wechselnden Spiel getragen, bald habe er sich für einen Salonmenschen, bald für einen Trunkenbold bald für einen theatralischen Liebhaber, bald für einen leidenschaftlichen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0121] er auf ein paar Stunden wenigstens Nichts sehe und höre von dieser Welt, deren Treiben ihn eben jetzt so anekelte — aber er kehrte wieder um, als er an seiner auch schon offen stehenden Thüre ankam, und eilte die Straße entlang, durch das Thor, hinaus in’s Freie. Erst verdroß ihn die Lerche, die jubelnd neben ihm aus der Saat aufwirbelte, und sich in’s Blaue des Himmels hineinstürzte — verdroß ihm der Thau, der in luftigen Silberketten von Grashalm zu Grashalm schwebte, sah er die Blumen, die groß und wunderbar dem jungen Sonnenstrahl entgegen die Augen aufschlugen, verdrießlich an. — Aber wie er so hastig immer weiter lief, und auf eine Höhe kam, von welcher herab er plötzlich einen weiten Blick thun konnte in die ganze lachende Gegend hinein: da ging ihm plötzlich das Herz auf — da fühlte er, daß die Erde so schön sei, und die Natur so reich — und immer heller ward sein Blick, und er sah die Natur an, wie eine erste, jungfräuliche Geliebte, von der ihn lange ein feindliches Schicksal und der eigne unstäte Sinn getrennt — die aber jetzt ihm entgegentrat in aller Anmuth einer erblühten Schönheit, und ihn wieder zu sich zu ziehen strebte an ihre treue Brust. — Da war ihm, als habe er hastig hintereinander viele Masken im wechselnden Spiel getragen, bald habe er sich für einen Salonmenschen, bald für einen Trunkenbold bald für einen theatralischen Liebhaber, bald für einen leidenschaftlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/121
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/121>, abgerufen am 21.11.2024.