Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Spieler ausgegeben, und so immer wieder eine Maske mit der andern vertauscht -- jetzt aber hatte er sie alle weggeworfen, und in dem Spiegel, welchen ihm die Natur vorhielt, schaute er sein wahres Gesicht -- er fühlte sich wieder, er erkannte sich wieder -- er war ein Poet! -- Er war nicht mehr in Verzweiflung, er verachtete sich nicht mehr selbst, wie vorher, aber er fühlte, daß sein Herz schmerzlich allein sei -- allein, unverstanden, und daß in der Sehnsucht, die Wünsche des Innern zum Schweigen zu bringen, eben dieses Herz sich so oft zum Unwürdigen verirrte. Er versank in tiefes Sinnen -- endlich schienen seine Gedanken und Gefühle zu dem Resultat zu kommen, das er leise vor sich hin sprach: "Ideale, wie ein Dichterherz sie träumt, giebt es in der Wirklichkeit nicht -- und einer wirklichen Erscheinung das Ideal, das ich ersehne, anzudichten -- dazu reicht meine Phantasie nicht mehr aus!" Wie er das gesagt hatte, war er auf der andern Seite der Höhe herabgeschritten -- er stand jetzt auf dem Hügel, wo zwischen den Linden sich die Steinbank befand, vor welcher Elisabeth auf die Kniee hingeworfen lag. Er blieb hastig, beinah erschrocken stehen -- er erkannte sie wieder. Es war dieselbe hohe Jungfrau, welcher er begegnet war, als er von dem erschütternden Wiedersehen Amaliens Spieler ausgegeben, und so immer wieder eine Maske mit der andern vertauscht — jetzt aber hatte er sie alle weggeworfen, und in dem Spiegel, welchen ihm die Natur vorhielt, schaute er sein wahres Gesicht — er fühlte sich wieder, er erkannte sich wieder — er war ein Poet! — Er war nicht mehr in Verzweiflung, er verachtete sich nicht mehr selbst, wie vorher, aber er fühlte, daß sein Herz schmerzlich allein sei — allein, unverstanden, und daß in der Sehnsucht, die Wünsche des Innern zum Schweigen zu bringen, eben dieses Herz sich so oft zum Unwürdigen verirrte. Er versank in tiefes Sinnen — endlich schienen seine Gedanken und Gefühle zu dem Resultat zu kommen, das er leise vor sich hin sprach: „Ideale, wie ein Dichterherz sie träumt, giebt es in der Wirklichkeit nicht — und einer wirklichen Erscheinung das Ideal, das ich ersehne, anzudichten — dazu reicht meine Phantasie nicht mehr aus!“ Wie er das gesagt hatte, war er auf der andern Seite der Höhe herabgeschritten — er stand jetzt auf dem Hügel, wo zwischen den Linden sich die Steinbank befand, vor welcher Elisabeth auf die Kniee hingeworfen lag. Er blieb hastig, beinah erschrocken stehen — er erkannte sie wieder. Es war dieselbe hohe Jungfrau, welcher er begegnet war, als er von dem erschütternden Wiedersehen Amaliens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0122" n="112"/> Spieler ausgegeben, und so immer wieder eine Maske mit der andern vertauscht — jetzt aber hatte er sie alle weggeworfen, und in dem Spiegel, welchen ihm die Natur vorhielt, schaute er sein wahres Gesicht — er fühlte sich wieder, er erkannte sich wieder — er war ein Poet! —</p> <p>Er war nicht mehr in Verzweiflung, er verachtete sich nicht mehr selbst, wie vorher, aber er fühlte, daß sein Herz schmerzlich allein sei — allein, unverstanden, und daß in der Sehnsucht, die Wünsche des Innern zum Schweigen zu bringen, eben dieses Herz sich so oft zum Unwürdigen verirrte. Er versank in tiefes Sinnen — endlich schienen seine Gedanken und Gefühle zu dem Resultat zu kommen, das er leise vor sich hin sprach: „Ideale, wie ein Dichterherz sie träumt, giebt es in der Wirklichkeit nicht — und einer wirklichen Erscheinung das Ideal, das ich ersehne, anzudichten — dazu reicht meine Phantasie nicht mehr aus!“</p> <p>Wie er das gesagt hatte, war er auf der andern Seite der Höhe herabgeschritten — er stand jetzt auf dem Hügel, wo zwischen den Linden sich die Steinbank befand, vor welcher Elisabeth auf die Kniee hingeworfen lag.</p> <p>Er blieb hastig, beinah erschrocken stehen — er erkannte sie wieder.</p> <p>Es war dieselbe hohe Jungfrau, welcher er begegnet war, als er von dem erschütternden Wiedersehen Amaliens </p> </div> </body> </text> </TEI> [112/0122]
Spieler ausgegeben, und so immer wieder eine Maske mit der andern vertauscht — jetzt aber hatte er sie alle weggeworfen, und in dem Spiegel, welchen ihm die Natur vorhielt, schaute er sein wahres Gesicht — er fühlte sich wieder, er erkannte sich wieder — er war ein Poet! —
Er war nicht mehr in Verzweiflung, er verachtete sich nicht mehr selbst, wie vorher, aber er fühlte, daß sein Herz schmerzlich allein sei — allein, unverstanden, und daß in der Sehnsucht, die Wünsche des Innern zum Schweigen zu bringen, eben dieses Herz sich so oft zum Unwürdigen verirrte. Er versank in tiefes Sinnen — endlich schienen seine Gedanken und Gefühle zu dem Resultat zu kommen, das er leise vor sich hin sprach: „Ideale, wie ein Dichterherz sie träumt, giebt es in der Wirklichkeit nicht — und einer wirklichen Erscheinung das Ideal, das ich ersehne, anzudichten — dazu reicht meine Phantasie nicht mehr aus!“
Wie er das gesagt hatte, war er auf der andern Seite der Höhe herabgeschritten — er stand jetzt auf dem Hügel, wo zwischen den Linden sich die Steinbank befand, vor welcher Elisabeth auf die Kniee hingeworfen lag.
Er blieb hastig, beinah erschrocken stehen — er erkannte sie wieder.
Es war dieselbe hohe Jungfrau, welcher er begegnet war, als er von dem erschütternden Wiedersehen Amaliens
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