Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Eine glückliche Stunde zog sich über die drei Menschen hin, eine Stunde, die nach ihren besten Momenten sich nicht beschreiben, sondern nur fühlen läßt. Ein Sommerabend still und heiter, an dem die Heimchen flüsternde Weisen unter wallenden Grashalmen zirpen, wo die Abendblumen ihre geheimnißvollen Blüthenkelche scheu und vorsichtig öffnen, Düfte wunderbar aushauchen, große goldne Augensterne allmälig aufschlagend, wo Schmetterlinge darüber hinziehen, in mystischen Kreisen von Blüthe zu Blüthe tanzend. Und wieder über den Schmetterlingen empor schwingen sich freudetrunkene Lerchen, schmettern ihre Lieder hoch in die Lüfte, lassen ihre lieblichen Töne wieder leise fallen und wieder klingen zu den lauschenden Feldern und Gärten. -- Da ist es, als richteten sich alle Halme auf und lauschten, als fragten alle Blumen mit emporgeschlagenen Augen zum Himmel auf, woher die wunderreichen Lieder tönten -- und auch das weichgewordene Menschengemüth lauscht empor und wird wonnetrunken und still -- und doch ist nichts Aeußerliches geschehen, nichts Neues, nichts Unerlebtes. So war es auch jetzt den drei Menschen in der Laube. Pauline fühlte sich froh und verstanden, deßhalb zufrieden und heimisch, zum ersten Mal so recht heimisch in der Heimath, in der sie hinter lauter bekannten Gesichtern lauter fremde Seelen finden mußte. Jaromir und Eine glückliche Stunde zog sich über die drei Menschen hin, eine Stunde, die nach ihren besten Momenten sich nicht beschreiben, sondern nur fühlen läßt. Ein Sommerabend still und heiter, an dem die Heimchen flüsternde Weisen unter wallenden Grashalmen zirpen, wo die Abendblumen ihre geheimnißvollen Blüthenkelche scheu und vorsichtig öffnen, Düfte wunderbar aushauchen, große goldne Augensterne allmälig aufschlagend, wo Schmetterlinge darüber hinziehen, in mystischen Kreisen von Blüthe zu Blüthe tanzend. Und wieder über den Schmetterlingen empor schwingen sich freudetrunkene Lerchen, schmettern ihre Lieder hoch in die Lüfte, lassen ihre lieblichen Töne wieder leise fallen und wieder klingen zu den lauschenden Feldern und Gärten. — Da ist es, als richteten sich alle Halme auf und lauschten, als fragten alle Blumen mit emporgeschlagenen Augen zum Himmel auf, woher die wunderreichen Lieder tönten — und auch das weichgewordene Menschengemüth lauscht empor und wird wonnetrunken und still — und doch ist nichts Aeußerliches geschehen, nichts Neues, nichts Unerlebtes. So war es auch jetzt den drei Menschen in der Laube. Pauline fühlte sich froh und verstanden, deßhalb zufrieden und heimisch, zum ersten Mal so recht heimisch in der Heimath, in der sie hinter lauter bekannten Gesichtern lauter fremde Seelen finden mußte. Jaromir und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0118" n="112"/> <p> Eine glückliche Stunde zog sich über die drei Menschen hin, eine Stunde, die nach ihren besten Momenten sich nicht beschreiben, sondern nur fühlen läßt. Ein Sommerabend still und heiter, an dem die Heimchen flüsternde Weisen unter wallenden Grashalmen zirpen, wo die Abendblumen ihre geheimnißvollen Blüthenkelche scheu und vorsichtig öffnen, Düfte wunderbar aushauchen, große goldne Augensterne allmälig aufschlagend, wo Schmetterlinge darüber hinziehen, in mystischen Kreisen von Blüthe zu Blüthe tanzend. Und wieder über den Schmetterlingen empor schwingen sich freudetrunkene Lerchen, schmettern ihre Lieder hoch in die Lüfte, lassen ihre lieblichen Töne wieder leise fallen und wieder klingen zu den lauschenden Feldern und Gärten. — Da ist es, als richteten sich alle Halme auf und lauschten, als fragten alle Blumen mit emporgeschlagenen Augen zum Himmel auf, woher die wunderreichen Lieder tönten — und auch das weichgewordene Menschengemüth lauscht empor und wird wonnetrunken und still — und doch ist nichts Aeußerliches geschehen, nichts Neues, nichts Unerlebtes.</p> <p>So war es auch jetzt den drei Menschen in der Laube. Pauline fühlte sich froh und verstanden, deßhalb zufrieden und heimisch, zum ersten Mal so recht heimisch in der Heimath, in der sie hinter lauter bekannten Gesichtern lauter fremde Seelen finden mußte. Jaromir und </p> </div> </body> </text> </TEI> [112/0118]
Eine glückliche Stunde zog sich über die drei Menschen hin, eine Stunde, die nach ihren besten Momenten sich nicht beschreiben, sondern nur fühlen läßt. Ein Sommerabend still und heiter, an dem die Heimchen flüsternde Weisen unter wallenden Grashalmen zirpen, wo die Abendblumen ihre geheimnißvollen Blüthenkelche scheu und vorsichtig öffnen, Düfte wunderbar aushauchen, große goldne Augensterne allmälig aufschlagend, wo Schmetterlinge darüber hinziehen, in mystischen Kreisen von Blüthe zu Blüthe tanzend. Und wieder über den Schmetterlingen empor schwingen sich freudetrunkene Lerchen, schmettern ihre Lieder hoch in die Lüfte, lassen ihre lieblichen Töne wieder leise fallen und wieder klingen zu den lauschenden Feldern und Gärten. — Da ist es, als richteten sich alle Halme auf und lauschten, als fragten alle Blumen mit emporgeschlagenen Augen zum Himmel auf, woher die wunderreichen Lieder tönten — und auch das weichgewordene Menschengemüth lauscht empor und wird wonnetrunken und still — und doch ist nichts Aeußerliches geschehen, nichts Neues, nichts Unerlebtes.
So war es auch jetzt den drei Menschen in der Laube. Pauline fühlte sich froh und verstanden, deßhalb zufrieden und heimisch, zum ersten Mal so recht heimisch in der Heimath, in der sie hinter lauter bekannten Gesichtern lauter fremde Seelen finden mußte. Jaromir und
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