Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Noth, das ist es ja, was ich damit bezwecke. Wenn noch andere Leute, als die Fabrikherren, welche von unserm Elend sich mästen -- und welchen es deshalb freilich nicht sehr erwünscht sein mag, daß es allgemein bekannt wird, wie sie uns behandeln -- wenn also noch andere Leute von unserm Elend hören, so werden weise Gesetzgeber und gerechte Regierungen uns doch vielleicht ein besseres Loos verschaffen. Ich denke von den Menschen nicht so gering. Ich glaube, vieles Schlimme und Unheilvolle besteht nur deshalb in der Welt, weil allein Diejenigen, welche darunter leiden, es kennen, den Andern es aber fremd bleibt und daher sie, welche die Macht und gewiß auch den Willen hätten zu helfen -- nur eben deshalb nicht mit ihrer Hilfe kommen, weil sie gar nicht wissen, daß man ihrer bedarf und wie viel es zu helfen giebt!" Wilhelm versetzte: "Du hast immer noch gutes Zutrauen zu den Menschen, ein viel besseres als sie verdienen -- unsre täglichen Erfahrungen könnten Dich eines Andern überzeugen." "Nun, wir werden ja sehen, wer von uns Recht behält. In meinem ersten Buche habe ich mich nur an die Menschenfreunde gewendet, in meinem zweiten an die Verzweifelnden -- ich denke, man muß es mit Beiden versuchen!" sagte Franz. "Ja," rief Wilhelm, "vielleicht helfen die Menschenfreunde, wenn sie einsehen, daß sie es außerdem mit Verzweifelnden zu thun haben." Noth, das ist es ja, was ich damit bezwecke. Wenn noch andere Leute, als die Fabrikherren, welche von unserm Elend sich mästen — und welchen es deshalb freilich nicht sehr erwünscht sein mag, daß es allgemein bekannt wird, wie sie uns behandeln — wenn also noch andere Leute von unserm Elend hören, so werden weise Gesetzgeber und gerechte Regierungen uns doch vielleicht ein besseres Loos verschaffen. Ich denke von den Menschen nicht so gering. Ich glaube, vieles Schlimme und Unheilvolle besteht nur deshalb in der Welt, weil allein Diejenigen, welche darunter leiden, es kennen, den Andern es aber fremd bleibt und daher sie, welche die Macht und gewiß auch den Willen hätten zu helfen — nur eben deshalb nicht mit ihrer Hilfe kommen, weil sie gar nicht wissen, daß man ihrer bedarf und wie viel es zu helfen giebt!“ Wilhelm versetzte: „Du hast immer noch gutes Zutrauen zu den Menschen, ein viel besseres als sie verdienen — unsre täglichen Erfahrungen könnten Dich eines Andern überzeugen.“ „Nun, wir werden ja sehen, wer von uns Recht behält. In meinem ersten Buche habe ich mich nur an die Menschenfreunde gewendet, in meinem zweiten an die Verzweifelnden — ich denke, man muß es mit Beiden versuchen!“ sagte Franz. „Ja,“ rief Wilhelm, „vielleicht helfen die Menschenfreunde, wenn sie einsehen, daß sie es außerdem mit Verzweifelnden zu thun haben.“ <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0022" n="16"/> Noth, das ist es ja, was ich damit bezwecke. Wenn noch andere Leute, als die Fabrikherren, welche von unserm Elend sich mästen — und welchen es deshalb freilich nicht sehr erwünscht sein mag, daß es allgemein bekannt wird, wie sie uns behandeln — wenn also noch andere Leute von unserm Elend hören, so werden weise Gesetzgeber und gerechte Regierungen uns doch vielleicht ein besseres Loos verschaffen. Ich denke von den Menschen nicht so gering. Ich glaube, vieles Schlimme und Unheilvolle besteht nur deshalb in der Welt, weil allein Diejenigen, welche darunter leiden, es kennen, den Andern es aber fremd bleibt und daher sie, welche die Macht und gewiß auch den Willen hätten zu helfen — nur eben deshalb nicht mit ihrer Hilfe kommen, weil sie gar nicht wissen, daß man ihrer bedarf und wie viel es zu helfen giebt!“</p> <p>Wilhelm versetzte: „Du hast immer noch gutes Zutrauen zu den Menschen, ein viel besseres als sie verdienen — unsre täglichen Erfahrungen könnten Dich eines Andern überzeugen.“</p> <p>„Nun, wir werden ja sehen, wer von uns Recht behält. In meinem ersten Buche habe ich mich nur an die Menschenfreunde gewendet, in meinem zweiten an die Verzweifelnden — ich denke, man muß es mit Beiden versuchen!“ sagte Franz.</p> <p>„Ja,“ rief Wilhelm, „vielleicht helfen die Menschenfreunde, wenn sie einsehen, daß sie es außerdem mit Verzweifelnden zu thun haben.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0022]
Noth, das ist es ja, was ich damit bezwecke. Wenn noch andere Leute, als die Fabrikherren, welche von unserm Elend sich mästen — und welchen es deshalb freilich nicht sehr erwünscht sein mag, daß es allgemein bekannt wird, wie sie uns behandeln — wenn also noch andere Leute von unserm Elend hören, so werden weise Gesetzgeber und gerechte Regierungen uns doch vielleicht ein besseres Loos verschaffen. Ich denke von den Menschen nicht so gering. Ich glaube, vieles Schlimme und Unheilvolle besteht nur deshalb in der Welt, weil allein Diejenigen, welche darunter leiden, es kennen, den Andern es aber fremd bleibt und daher sie, welche die Macht und gewiß auch den Willen hätten zu helfen — nur eben deshalb nicht mit ihrer Hilfe kommen, weil sie gar nicht wissen, daß man ihrer bedarf und wie viel es zu helfen giebt!“
Wilhelm versetzte: „Du hast immer noch gutes Zutrauen zu den Menschen, ein viel besseres als sie verdienen — unsre täglichen Erfahrungen könnten Dich eines Andern überzeugen.“
„Nun, wir werden ja sehen, wer von uns Recht behält. In meinem ersten Buche habe ich mich nur an die Menschenfreunde gewendet, in meinem zweiten an die Verzweifelnden — ich denke, man muß es mit Beiden versuchen!“ sagte Franz.
„Ja,“ rief Wilhelm, „vielleicht helfen die Menschenfreunde, wenn sie einsehen, daß sie es außerdem mit Verzweifelnden zu thun haben.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-23T11:52:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-08-23T11:52:15Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |