Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846."Bei Alle dem bin ich froh, daß er nicht länger mit uns ging," sagte Wilhelm, "ich habe noch Etwas mit Dir allein zu reden -- es hat mir schon lange auf dem Herzen gelegen und muß nun endlich einmal herunter." "Wir wollen ein Stück in diese Allee gehen und uns dort auf der Steinbank unter der Linde ein Wenig niedersetzen," gab Franz an. Als sie sich gesetzt hatten, begann Wilhelm: "Du bist seit einiger Zeit verändert -- wenn wir Alle beieinander sitzen und unter Gesang und harmlosen Reden uns von den Mühen des arbeitvollen Tages erholen -- so bist Du oft still und zerstrent, und wenn wir Dich aufmuntern, so fährst Du wie im Traume auf und besinnst Dich endlich, wo Du bist. -- Das Loos der unglücklichen Brüder hat Dir immer Kummer gemacht, das Elend, das Dich umgiebt, hat immer an Deinem theilnehmenden Herzen gefressen. Ein Dichter, der noch andere Träume, ein Schreibender, der noch andere Dinge zu denken hat, als wir andern nüchternen Menschenkinder, bist Du immer gewesen -- allen diesen Dingen kann man Deine Veränderung nicht zuschreiben -- auch bist Du ja nicht immer traurig -- zuweilen glänzt Dein Auge in lauter stiller Freude. -- Ach! Ich weiß recht gut, was allein über einen Menschen solche Macht hat." „Bei Alle dem bin ich froh, daß er nicht länger mit uns ging,“ sagte Wilhelm, „ich habe noch Etwas mit Dir allein zu reden — es hat mir schon lange auf dem Herzen gelegen und muß nun endlich einmal herunter.“ „Wir wollen ein Stück in diese Allee gehen und uns dort auf der Steinbank unter der Linde ein Wenig niedersetzen,“ gab Franz an. Als sie sich gesetzt hatten, begann Wilhelm: „Du bist seit einiger Zeit verändert — wenn wir Alle beieinander sitzen und unter Gesang und harmlosen Reden uns von den Mühen des arbeitvollen Tages erholen — so bist Du oft still und zerstrent, und wenn wir Dich aufmuntern, so fährst Du wie im Traume auf und besinnst Dich endlich, wo Du bist. — Das Loos der unglücklichen Brüder hat Dir immer Kummer gemacht, das Elend, das Dich umgiebt, hat immer an Deinem theilnehmenden Herzen gefressen. Ein Dichter, der noch andere Träume, ein Schreibender, der noch andere Dinge zu denken hat, als wir andern nüchternen Menschenkinder, bist Du immer gewesen — allen diesen Dingen kann man Deine Veränderung nicht zuschreiben — auch bist Du ja nicht immer traurig — zuweilen glänzt Dein Auge in lauter stiller Freude. — Ach! Ich weiß recht gut, was allein über einen Menschen solche Macht hat.“ <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0024" n="18"/> <p> „Bei Alle dem bin ich froh, daß er nicht länger mit uns ging,“ sagte Wilhelm, „ich habe noch Etwas mit Dir allein zu reden — es hat mir schon lange auf dem Herzen gelegen und muß nun endlich einmal herunter.“</p> <p>„Wir wollen ein Stück in diese Allee gehen und uns dort auf der Steinbank unter der Linde ein Wenig niedersetzen,“ gab Franz an.</p> <p>Als sie sich gesetzt hatten, begann Wilhelm: „Du bist seit einiger Zeit verändert — wenn wir Alle beieinander sitzen und unter Gesang und harmlosen Reden uns von den Mühen des arbeitvollen Tages erholen — so bist Du oft still und zerstrent, und wenn wir Dich aufmuntern, so fährst Du wie im Traume auf und besinnst Dich endlich, wo Du bist. — Das Loos der unglücklichen Brüder hat Dir immer Kummer gemacht, das Elend, das Dich umgiebt, hat immer an Deinem theilnehmenden Herzen gefressen. Ein Dichter, der noch andere Träume, ein Schreibender, der noch andere Dinge zu denken hat, als wir andern nüchternen Menschenkinder, bist Du immer gewesen — allen diesen Dingen kann man Deine Veränderung nicht zuschreiben — auch bist Du ja nicht immer traurig — zuweilen glänzt Dein Auge in lauter stiller Freude. — Ach! Ich weiß recht gut, was allein über einen Menschen solche Macht hat.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0024]
„Bei Alle dem bin ich froh, daß er nicht länger mit uns ging,“ sagte Wilhelm, „ich habe noch Etwas mit Dir allein zu reden — es hat mir schon lange auf dem Herzen gelegen und muß nun endlich einmal herunter.“
„Wir wollen ein Stück in diese Allee gehen und uns dort auf der Steinbank unter der Linde ein Wenig niedersetzen,“ gab Franz an.
Als sie sich gesetzt hatten, begann Wilhelm: „Du bist seit einiger Zeit verändert — wenn wir Alle beieinander sitzen und unter Gesang und harmlosen Reden uns von den Mühen des arbeitvollen Tages erholen — so bist Du oft still und zerstrent, und wenn wir Dich aufmuntern, so fährst Du wie im Traume auf und besinnst Dich endlich, wo Du bist. — Das Loos der unglücklichen Brüder hat Dir immer Kummer gemacht, das Elend, das Dich umgiebt, hat immer an Deinem theilnehmenden Herzen gefressen. Ein Dichter, der noch andere Träume, ein Schreibender, der noch andere Dinge zu denken hat, als wir andern nüchternen Menschenkinder, bist Du immer gewesen — allen diesen Dingen kann man Deine Veränderung nicht zuschreiben — auch bist Du ja nicht immer traurig — zuweilen glänzt Dein Auge in lauter stiller Freude. — Ach! Ich weiß recht gut, was allein über einen Menschen solche Macht hat.“
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