Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Franz sah stumm vor sich nieder und scharrte mit seinen Füßen im Sande. Wilhelm fuhr fort: "Franz! Du gehst oft in Herrn Felchners Haus und wenn Du zurück kommst --" "Wilhelm! Wilhelm!" rief Franz mit einem flehenden Tone, als wolle er sagen, schone mich! fügte dem Ruf aber weiter Nichts hinzu; doch Wilhelm fuhr dumpf fort: "Ich verstehe Dich -- wärest Du weniger verschlossen gewesen -- wer weiß, es wäre dahin nicht gekommen, es wäre mir leichter geworden, sie zu fliehen -- hättest Du nicht geschwiegen -- es wäre besser gewesen -- ja wohl, wäre besser gewesen!" "Wilhelm -- um Gottes Willen -- Du auch -- Du auch?" "Ja, ich habe sie auch lieb, wie ich noch kein anderes Mädchen geliebt, ich habe sie so lieb, wie sie irgend Jemand lieb haben kann, so lieb wie Du!" "Wilhelm! Du sprichst es aus, Du wagst es -- was ich niemals wagte, niemals gewagt haben würde? -- Mir ist, als faßtest Du mit einer ruhigen festen Hand nach meinem Herzen, rissest es mir aus der Brust und sprächest kalt, indem Du es mir vor die zuckenden Augen hieltest: so sieht Dein Herz aus -- Du Frevler!" "Es muß sein -- Du oder ich! -- Ich habe Dir Freundschaft geschworen bis in's Grab -- wir dachten damals nicht, daß ich Dir meinen Eid bewähren müßte Franz sah stumm vor sich nieder und scharrte mit seinen Füßen im Sande. Wilhelm fuhr fort: „Franz! Du gehst oft in Herrn Felchners Haus und wenn Du zurück kommst —“ „Wilhelm! Wilhelm!“ rief Franz mit einem flehenden Tone, als wolle er sagen, schone mich! fügte dem Ruf aber weiter Nichts hinzu; doch Wilhelm fuhr dumpf fort: „Ich verstehe Dich — wärest Du weniger verschlossen gewesen — wer weiß, es wäre dahin nicht gekommen, es wäre mir leichter geworden, sie zu fliehen — hättest Du nicht geschwiegen — es wäre besser gewesen — ja wohl, wäre besser gewesen!“ „Wilhelm — um Gottes Willen — Du auch — Du auch?“ „Ja, ich habe sie auch lieb, wie ich noch kein anderes Mädchen geliebt, ich habe sie so lieb, wie sie irgend Jemand lieb haben kann, so lieb wie Du!“ „Wilhelm! Du sprichst es aus, Du wagst es — was ich niemals wagte, niemals gewagt haben würde? — Mir ist, als faßtest Du mit einer ruhigen festen Hand nach meinem Herzen, rissest es mir aus der Brust und sprächest kalt, indem Du es mir vor die zuckenden Augen hieltest: so sieht Dein Herz aus — Du Frevler!“ „Es muß sein — Du oder ich! — Ich habe Dir Freundschaft geschworen bis in’s Grab — wir dachten damals nicht, daß ich Dir meinen Eid bewähren müßte <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0025" n="19"/> <p> Franz sah stumm vor sich nieder und scharrte mit seinen Füßen im Sande.</p> <p>Wilhelm fuhr fort: „Franz! Du gehst oft in Herrn Felchners Haus und wenn Du zurück kommst —“</p> <p>„Wilhelm! Wilhelm!“ rief Franz mit einem flehenden Tone, als wolle er sagen, schone mich! fügte dem Ruf aber weiter Nichts hinzu; doch Wilhelm fuhr dumpf fort:</p> <p>„Ich verstehe Dich — wärest Du weniger verschlossen gewesen — wer weiß, es wäre dahin nicht gekommen, es wäre mir leichter geworden, sie zu fliehen — hättest Du nicht geschwiegen — es wäre besser gewesen — ja wohl, wäre besser gewesen!“</p> <p>„Wilhelm — um Gottes Willen — Du auch — Du auch?“</p> <p>„Ja, ich habe sie auch lieb, wie ich noch kein anderes Mädchen geliebt, ich habe sie so lieb, wie sie irgend Jemand lieb haben kann, so lieb wie Du!“</p> <p>„Wilhelm! Du sprichst es aus, Du wagst es — was ich niemals wagte, niemals gewagt haben würde? — Mir ist, als faßtest Du mit einer ruhigen festen Hand nach meinem Herzen, rissest es mir aus der Brust und sprächest kalt, indem Du es mir vor die zuckenden Augen hieltest: so sieht Dein Herz aus — Du Frevler!“</p> <p>„Es muß sein — Du oder ich! — Ich habe Dir Freundschaft geschworen bis in’s Grab — wir dachten damals nicht, daß ich Dir meinen Eid bewähren müßte </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0025]
Franz sah stumm vor sich nieder und scharrte mit seinen Füßen im Sande.
Wilhelm fuhr fort: „Franz! Du gehst oft in Herrn Felchners Haus und wenn Du zurück kommst —“
„Wilhelm! Wilhelm!“ rief Franz mit einem flehenden Tone, als wolle er sagen, schone mich! fügte dem Ruf aber weiter Nichts hinzu; doch Wilhelm fuhr dumpf fort:
„Ich verstehe Dich — wärest Du weniger verschlossen gewesen — wer weiß, es wäre dahin nicht gekommen, es wäre mir leichter geworden, sie zu fliehen — hättest Du nicht geschwiegen — es wäre besser gewesen — ja wohl, wäre besser gewesen!“
„Wilhelm — um Gottes Willen — Du auch — Du auch?“
„Ja, ich habe sie auch lieb, wie ich noch kein anderes Mädchen geliebt, ich habe sie so lieb, wie sie irgend Jemand lieb haben kann, so lieb wie Du!“
„Wilhelm! Du sprichst es aus, Du wagst es — was ich niemals wagte, niemals gewagt haben würde? — Mir ist, als faßtest Du mit einer ruhigen festen Hand nach meinem Herzen, rissest es mir aus der Brust und sprächest kalt, indem Du es mir vor die zuckenden Augen hieltest: so sieht Dein Herz aus — Du Frevler!“
„Es muß sein — Du oder ich! — Ich habe Dir Freundschaft geschworen bis in’s Grab — wir dachten damals nicht, daß ich Dir meinen Eid bewähren müßte
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