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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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nicht, es muß ein neuer Ankömmling sein. Der Geheimrath von Brodenbrücker daneben hat sich bis jetzt schrecklich gelangweilt, er ist aus Gefälligkeit für seine Frau, welche vollkommnes Pantoffelregiment geltend macht, hierher gekommen, denn sie will nämlich gern in jeder Mode den Ton angeben und hat sich es deshalb nicht nehmen lassen, krank zu sein und von einem gefälligen Arzt in eine Wasserheilanstalt geschickt zu werden. Sie scheint eine sentimentale Kokette zu sein, bei welcher man sich Etwas erlauben darf. Nun kommen Sie, ich stelle Sie den Herrschaften vor, Ihr Name wird frappiren, wenn ihn nicht etwa der Doctor schon ausgeplaudert hat. Bemerken Sie wohl, welche schmachtenden Blicke die Geheimräthin auf uns wirft -- ich glaube, es ist ihr lange nicht so wohl geworden, die einzige Dame in einem Badeort zu sein."

Waldow trat jetzt mit Jaromir zu der Gruppe und stellte diesen vor:

"Graf Jaromir von Szariny."

Der Name frappirte allerdings -- aber obwohl die Geheimräthin vor freudigem Erschrecken beinah in eine Ohnmacht gefallen wäre, war doch Niemand davon in gleichem Maaße betroffen, als der fremde, lange, dürre Herr. Als er Szariny's Namen nennen hörte, nahmen seine Augen einen ganz eigenthümlichen Ausdruck an, Schreck paarte sich mit Freude. Sein ganzes Wesen schien verändert zu

nicht, es muß ein neuer Ankömmling sein. Der Geheimrath von Brodenbrücker daneben hat sich bis jetzt schrecklich gelangweilt, er ist aus Gefälligkeit für seine Frau, welche vollkommnes Pantoffelregiment geltend macht, hierher gekommen, denn sie will nämlich gern in jeder Mode den Ton angeben und hat sich es deshalb nicht nehmen lassen, krank zu sein und von einem gefälligen Arzt in eine Wasserheilanstalt geschickt zu werden. Sie scheint eine sentimentale Kokette zu sein, bei welcher man sich Etwas erlauben darf. Nun kommen Sie, ich stelle Sie den Herrschaften vor, Ihr Name wird frappiren, wenn ihn nicht etwa der Doctor schon ausgeplaudert hat. Bemerken Sie wohl, welche schmachtenden Blicke die Geheimräthin auf uns wirft — ich glaube, es ist ihr lange nicht so wohl geworden, die einzige Dame in einem Badeort zu sein.“

Waldow trat jetzt mit Jaromir zu der Gruppe und stellte diesen vor:

„Graf Jaromir von Szariny.“

Der Name frappirte allerdings — aber obwohl die Geheimräthin vor freudigem Erschrecken beinah in eine Ohnmacht gefallen wäre, war doch Niemand davon in gleichem Maaße betroffen, als der fremde, lange, dürre Herr. Als er Szariny’s Namen nennen hörte, nahmen seine Augen einen ganz eigenthümlichen Ausdruck an, Schreck paarte sich mit Freude. Sein ganzes Wesen schien verändert zu

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[44/0050] nicht, es muß ein neuer Ankömmling sein. Der Geheimrath von Brodenbrücker daneben hat sich bis jetzt schrecklich gelangweilt, er ist aus Gefälligkeit für seine Frau, welche vollkommnes Pantoffelregiment geltend macht, hierher gekommen, denn sie will nämlich gern in jeder Mode den Ton angeben und hat sich es deshalb nicht nehmen lassen, krank zu sein und von einem gefälligen Arzt in eine Wasserheilanstalt geschickt zu werden. Sie scheint eine sentimentale Kokette zu sein, bei welcher man sich Etwas erlauben darf. Nun kommen Sie, ich stelle Sie den Herrschaften vor, Ihr Name wird frappiren, wenn ihn nicht etwa der Doctor schon ausgeplaudert hat. Bemerken Sie wohl, welche schmachtenden Blicke die Geheimräthin auf uns wirft — ich glaube, es ist ihr lange nicht so wohl geworden, die einzige Dame in einem Badeort zu sein.“ Waldow trat jetzt mit Jaromir zu der Gruppe und stellte diesen vor: „Graf Jaromir von Szariny.“ Der Name frappirte allerdings — aber obwohl die Geheimräthin vor freudigem Erschrecken beinah in eine Ohnmacht gefallen wäre, war doch Niemand davon in gleichem Maaße betroffen, als der fremde, lange, dürre Herr. Als er Szariny’s Namen nennen hörte, nahmen seine Augen einen ganz eigenthümlichen Ausdruck an, Schreck paarte sich mit Freude. Sein ganzes Wesen schien verändert zu

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/50>, abgerufen am 29.04.2024.