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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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so früh aufgestanden, der Schmerz hatte Sie nicht ruhen lassen -- bei mir war das Anders, ich kam von einer festlich durchschwärmten Nacht -- aber wessen Herz in diesen Stunden schmerzlicher gezuckt haben mag -- das Ihre unter Ihren Thränen, das meine unter meinem Lachen -- wer mögt' es entscheiden? Ich habe das Wort nicht vergessen, das Sie zu mir sagten: >Sie scheinen auch nicht glücklich zu sein!< So hatten Sie mich allein verstanden, eine Fremde -- unter all' den Hunderten, welche mich zu kennen meinen, welche mir täglich versicherten: ich sei der glücklichste Sterbliche."

"Ich hatte Ihnen schon einmal begegnet, wo Sie noch trauriger aussahen --" fiel sie ihm rasch in's Wort, aber sie hielt plötzlich inne und erröthete und fragte sich mädchenhaft schüchtern im Stillen, ob sie nicht unvorsichtig zu Viel gesagt.

Fast war es auch für Jaromir zu Viel, zu viel überraschende Freude, daß sie dieses sagte -- ihm wars, als müsse er ihr zu Füßen fallen, oder ihre Hand fassen und drücken, oder sie selbst in seine Arme ziehen -- aber er bezwang sich, er blickte sie nur noch inniger an, doch wagte er nicht, sie zu berühren, oder sich ihr leidenschaftlich zu nähern -- er sagte sich, daß er das schöne Vertrauen, mit dem sie ihn allein bei sich empfangen, nicht mißbrauchen dürfe. "Ja", sagte er, "damals lag auf

so früh aufgestanden, der Schmerz hatte Sie nicht ruhen lassen — bei mir war das Anders, ich kam von einer festlich durchschwärmten Nacht — aber wessen Herz in diesen Stunden schmerzlicher gezuckt haben mag — das Ihre unter Ihren Thränen, das meine unter meinem Lachen — wer mögt’ es entscheiden? Ich habe das Wort nicht vergessen, das Sie zu mir sagten: ›Sie scheinen auch nicht glücklich zu sein!‹ So hatten Sie mich allein verstanden, eine Fremde — unter all’ den Hunderten, welche mich zu kennen meinen, welche mir täglich versicherten: ich sei der glücklichste Sterbliche.“

„Ich hatte Ihnen schon einmal begegnet, wo Sie noch trauriger aussahen —“ fiel sie ihm rasch in’s Wort, aber sie hielt plötzlich inne und erröthete und fragte sich mädchenhaft schüchtern im Stillen, ob sie nicht unvorsichtig zu Viel gesagt.

Fast war es auch für Jaromir zu Viel, zu viel überraschende Freude, daß sie dieses sagte — ihm wars, als müsse er ihr zu Füßen fallen, oder ihre Hand fassen und drücken, oder sie selbst in seine Arme ziehen — aber er bezwang sich, er blickte sie nur noch inniger an, doch wagte er nicht, sie zu berühren, oder sich ihr leidenschaftlich zu nähern — er sagte sich, daß er das schöne Vertrauen, mit dem sie ihn allein bei sich empfangen, nicht mißbrauchen dürfe. „Ja“, sagte er, „damals lag auf

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[52/0058] so früh aufgestanden, der Schmerz hatte Sie nicht ruhen lassen — bei mir war das Anders, ich kam von einer festlich durchschwärmten Nacht — aber wessen Herz in diesen Stunden schmerzlicher gezuckt haben mag — das Ihre unter Ihren Thränen, das meine unter meinem Lachen — wer mögt’ es entscheiden? Ich habe das Wort nicht vergessen, das Sie zu mir sagten: ›Sie scheinen auch nicht glücklich zu sein!‹ So hatten Sie mich allein verstanden, eine Fremde — unter all’ den Hunderten, welche mich zu kennen meinen, welche mir täglich versicherten: ich sei der glücklichste Sterbliche.“ „Ich hatte Ihnen schon einmal begegnet, wo Sie noch trauriger aussahen —“ fiel sie ihm rasch in’s Wort, aber sie hielt plötzlich inne und erröthete und fragte sich mädchenhaft schüchtern im Stillen, ob sie nicht unvorsichtig zu Viel gesagt. Fast war es auch für Jaromir zu Viel, zu viel überraschende Freude, daß sie dieses sagte — ihm wars, als müsse er ihr zu Füßen fallen, oder ihre Hand fassen und drücken, oder sie selbst in seine Arme ziehen — aber er bezwang sich, er blickte sie nur noch inniger an, doch wagte er nicht, sie zu berühren, oder sich ihr leidenschaftlich zu nähern — er sagte sich, daß er das schöne Vertrauen, mit dem sie ihn allein bei sich empfangen, nicht mißbrauchen dürfe. „Ja“, sagte er, „damals lag auf

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/58>, abgerufen am 14.05.2024.