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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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Friederike kam diesem Befehle getreulich nach. Als sie Alles erzählt hatte, ward Pauline immer nachdenklicher. "Es ist klar," sagte sie, "mein Bruder will nicht, daß die Fabrikarbeiter zu mir Vertrauen fassen und daß ich die Schattenseiten einer großen industriellen Anstalt, wie die unsere ist, kennen lerne, er will nicht, daß ich mich mit diesen armen Leuten in eine gewisse Art von Verbindung setze. Er verachtet sie nur und meint vielleicht, sie um so williger zu jeder Arbeit zu finden, je ärmer und unglücklicher sie sind. Es ist gewiß, daß er den Chirurgen zu diesem seltsamen und abgeschmackten Märchen von meiner Krankheit verleitet hat. So werde ich freilich in Zukunft noch behutsamer sein müssen, als ich bereits war, damit er mich nicht hindert, irgend ein Elend zu lindern, wo ich kann und will."

Friederike hatte ihrer Herrin nicht gesagt, daß sie Wilhelm und Franz in die Allee bestellt habe, sie verschwieg es auch jetzt, aber sie suchte Paulinen dahin zu einem kleinen Spaziergang zu bewegen, indem sie ihr beredt den schönen Sternenabend draußen schilderte und die leuchtenden Johanniswürmchen, die gerade in jener Allee sich jetzt so lustig tummeln sollten. Pauline willigte endlich ein, da der Weg nahe und überhaupt dort einer ihrer Lieblingsplätze war.

Franz stand dort allein. Was er für Paulinen

Friederike kam diesem Befehle getreulich nach. Als sie Alles erzählt hatte, ward Pauline immer nachdenklicher. „Es ist klar,“ sagte sie, „mein Bruder will nicht, daß die Fabrikarbeiter zu mir Vertrauen fassen und daß ich die Schattenseiten einer großen industriellen Anstalt, wie die unsere ist, kennen lerne, er will nicht, daß ich mich mit diesen armen Leuten in eine gewisse Art von Verbindung setze. Er verachtet sie nur und meint vielleicht, sie um so williger zu jeder Arbeit zu finden, je ärmer und unglücklicher sie sind. Es ist gewiß, daß er den Chirurgen zu diesem seltsamen und abgeschmackten Märchen von meiner Krankheit verleitet hat. So werde ich freilich in Zukunft noch behutsamer sein müssen, als ich bereits war, damit er mich nicht hindert, irgend ein Elend zu lindern, wo ich kann und will.“

Friederike hatte ihrer Herrin nicht gesagt, daß sie Wilhelm und Franz in die Allee bestellt habe, sie verschwieg es auch jetzt, aber sie suchte Paulinen dahin zu einem kleinen Spaziergang zu bewegen, indem sie ihr beredt den schönen Sternenabend draußen schilderte und die leuchtenden Johanniswürmchen, die gerade in jener Allee sich jetzt so lustig tummeln sollten. Pauline willigte endlich ein, da der Weg nahe und überhaupt dort einer ihrer Lieblingsplätze war.

Franz stand dort allein. Was er für Paulinen

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[68/0074] Friederike kam diesem Befehle getreulich nach. Als sie Alles erzählt hatte, ward Pauline immer nachdenklicher. „Es ist klar,“ sagte sie, „mein Bruder will nicht, daß die Fabrikarbeiter zu mir Vertrauen fassen und daß ich die Schattenseiten einer großen industriellen Anstalt, wie die unsere ist, kennen lerne, er will nicht, daß ich mich mit diesen armen Leuten in eine gewisse Art von Verbindung setze. Er verachtet sie nur und meint vielleicht, sie um so williger zu jeder Arbeit zu finden, je ärmer und unglücklicher sie sind. Es ist gewiß, daß er den Chirurgen zu diesem seltsamen und abgeschmackten Märchen von meiner Krankheit verleitet hat. So werde ich freilich in Zukunft noch behutsamer sein müssen, als ich bereits war, damit er mich nicht hindert, irgend ein Elend zu lindern, wo ich kann und will.“ Friederike hatte ihrer Herrin nicht gesagt, daß sie Wilhelm und Franz in die Allee bestellt habe, sie verschwieg es auch jetzt, aber sie suchte Paulinen dahin zu einem kleinen Spaziergang zu bewegen, indem sie ihr beredt den schönen Sternenabend draußen schilderte und die leuchtenden Johanniswürmchen, die gerade in jener Allee sich jetzt so lustig tummeln sollten. Pauline willigte endlich ein, da der Weg nahe und überhaupt dort einer ihrer Lieblingsplätze war. Franz stand dort allein. Was er für Paulinen

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/74>, abgerufen am 21.11.2024.