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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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fühlte, hatte er dem Freund einmal gestanden, obwohl er selbst es sich noch niemals zu gestehen gewagt hatte, obwohl er es, was nur ein Mal seinem Innern zur Aussprache entlockt worden war, wieder in seines Herzens Tiefen zu verbergen strebte. Was er jetzt gelitten, wußte Wilhelm auch, und er gönnte dem Freunde die Stunde der Genugthuung, welche jetzt vielleicht für ihr schlug, so aufrichtig aus vollster Seele, daß er sie ihm durch seine Gegenwart nicht stören wollte -- denn ein Zartgefühl, welches bei den feinen, geglätteten Menschen der Salons fast gänzlich in seiner Ursprünglichkeit verloren gegangen ist und nur als leere Etikettenform noch hier und da zur Erscheinung kommt, sagte diesem einfachen, unverdorbenen und unverbildeten Arbeiter, daß seine Gegenwart vielleicht den Freund stören könne, dem er, ohne es zu wollen, ein Geständniß seiner Liebe entlockt hatte, welches nun nicht mehr zurückzunehmen war, aber von dem, welchem das stille Geheimniß gehörte, doch gern wieder vergessen gemacht worden wäre.

Friederike, welche diese Gründe für Wilhelms Außenbleiben nicht ahnen konnte, weil sie Thalheims wahre Gefühle nicht kannte, und welche vielleicht auch dann Wilhelms Zartgefühl nicht ganz würde verstanden und getheilt haben, schmollte in Gedanken ein Wenig mit ihm, daß er

fühlte, hatte er dem Freund einmal gestanden, obwohl er selbst es sich noch niemals zu gestehen gewagt hatte, obwohl er es, was nur ein Mal seinem Innern zur Aussprache entlockt worden war, wieder in seines Herzens Tiefen zu verbergen strebte. Was er jetzt gelitten, wußte Wilhelm auch, und er gönnte dem Freunde die Stunde der Genugthuung, welche jetzt vielleicht für ihr schlug, so aufrichtig aus vollster Seele, daß er sie ihm durch seine Gegenwart nicht stören wollte — denn ein Zartgefühl, welches bei den feinen, geglätteten Menschen der Salons fast gänzlich in seiner Ursprünglichkeit verloren gegangen ist und nur als leere Etikettenform noch hier und da zur Erscheinung kommt, sagte diesem einfachen, unverdorbenen und unverbildeten Arbeiter, daß seine Gegenwart vielleicht den Freund stören könne, dem er, ohne es zu wollen, ein Geständniß seiner Liebe entlockt hatte, welches nun nicht mehr zurückzunehmen war, aber von dem, welchem das stille Geheimniß gehörte, doch gern wieder vergessen gemacht worden wäre.

Friederike, welche diese Gründe für Wilhelms Außenbleiben nicht ahnen konnte, weil sie Thalheims wahre Gefühle nicht kannte, und welche vielleicht auch dann Wilhelms Zartgefühl nicht ganz würde verstanden und getheilt haben, schmollte in Gedanken ein Wenig mit ihm, daß er

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[69/0075] fühlte, hatte er dem Freund einmal gestanden, obwohl er selbst es sich noch niemals zu gestehen gewagt hatte, obwohl er es, was nur ein Mal seinem Innern zur Aussprache entlockt worden war, wieder in seines Herzens Tiefen zu verbergen strebte. Was er jetzt gelitten, wußte Wilhelm auch, und er gönnte dem Freunde die Stunde der Genugthuung, welche jetzt vielleicht für ihr schlug, so aufrichtig aus vollster Seele, daß er sie ihm durch seine Gegenwart nicht stören wollte — denn ein Zartgefühl, welches bei den feinen, geglätteten Menschen der Salons fast gänzlich in seiner Ursprünglichkeit verloren gegangen ist und nur als leere Etikettenform noch hier und da zur Erscheinung kommt, sagte diesem einfachen, unverdorbenen und unverbildeten Arbeiter, daß seine Gegenwart vielleicht den Freund stören könne, dem er, ohne es zu wollen, ein Geständniß seiner Liebe entlockt hatte, welches nun nicht mehr zurückzunehmen war, aber von dem, welchem das stille Geheimniß gehörte, doch gern wieder vergessen gemacht worden wäre. Friederike, welche diese Gründe für Wilhelms Außenbleiben nicht ahnen konnte, weil sie Thalheims wahre Gefühle nicht kannte, und welche vielleicht auch dann Wilhelms Zartgefühl nicht ganz würde verstanden und getheilt haben, schmollte in Gedanken ein Wenig mit ihm, daß er

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/75>, abgerufen am 21.11.2024.