Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].das alte Haus des Czaren war verlassen, und die gänzliche Stille der Umgebung hatte etwas gespensterhaftes. Man glaubte in einer verzauberten Stadt aus 1001 Nacht sich zu befinden, deren Einwohner durch einen bösen Genius in Schlaf versenkt waren. Ob der Brand von Moskau mit Bewilligung des Kaisers Alexander unternommen, oder von dem Fürsten von Repnin auf eigne Faust angefacht worden sei, darüber wurde damals viel hin und her gestritten, es ist auch, so viel ich weiß, bis jetzt nichts sicheres darüber ermittelt worden; so viel aber steht fest, daß die an der Gränze von Asien angezündete Fackel einen Wendepunkt in der Greschichte Europas beleuchtete, und daß vor diesem gewaltigen Feuerscheine der Glanz des napoleonischen Sternes erbleichen sollte. Die Ausdehnung des Brandes in den 5 weiten, um den Kreml gebauten Häuserumkreisen, war so groß, daß die Astronomen uns bewiesen, wenn die Mondbewohner dieselben Fernrohre hätten wie wir, so hätten sie einen deutlichen hellen Fleck auf der Erde wahrnehmen, und daraus schließen müssen, daß dort etwas absonderliches vorgehe. So glänzend auch die französischen Nachrichten über die großen Waffenerfolge lauteten, so ließ man sich dadurch bei uns nicht bestechen; man fühlte sehr wohl, daß der Brand von Moskau ein wirksames Gegenmittel gegen die Schlacht von Borodino, und daß der Krieg noch lange nicht zu Ende sei. Allgemein bewundert ward die Grosherzigkeit des Kaisers Alexander, mit der er die Zerstörung der zweiten Hauptstadt seines Reiches wenn nicht angeordnet, so doch erlaubt habe. Was wird Napoleon jetzt anfangen? fragten unsre das alte Haus des Czaren war verlassen, und die gänzliche Stille der Umgebung hatte etwas gespensterhaftes. Man glaubte in einer verzauberten Stadt aus 1001 Nacht sich zu befinden, deren Einwohner durch einen bösen Genius in Schlaf versenkt waren. Ob der Brand von Moskau mit Bewilligung des Kaisers Alexander unternommen, oder von dem Fürsten von Repnin auf eigne Faust angefacht worden sei, darüber wurde damals viel hin und her gestritten, es ist auch, so viel ich weiß, bis jetzt nichts sicheres darüber ermittelt worden; so viel aber steht fest, daß die an der Gränze von Asien angezündete Fackel einen Wendepunkt in der Greschichte Europas beleuchtete, und daß vor diesem gewaltigen Feuerscheine der Glanz des napoleonischen Sternes erbleichen sollte. Die Ausdehnung des Brandes in den 5 weiten, um den Kreml gebauten Häuserumkreisen, war so groß, daß die Astronomen uns bewiesen, wenn die Mondbewohner dieselben Fernrohre hätten wie wir, so hätten sie einen deutlichen hellen Fleck auf der Erde wahrnehmen, und daraus schließen müssen, daß dort etwas absonderliches vorgehe. So glänzend auch die französischen Nachrichten über die großen Waffenerfolge lauteten, so ließ man sich dadurch bei uns nicht bestechen; man fühlte sehr wohl, daß der Brand von Moskau ein wirksames Gegenmittel gegen die Schlacht von Borodino, und daß der Krieg noch lange nicht zu Ende sei. Allgemein bewundert ward die Grosherzigkeit des Kaisers Alexander, mit der er die Zerstörung der zweiten Hauptstadt seines Reiches wenn nicht angeordnet, so doch erlaubt habe. Was wird Napoléon jetzt anfangen? fragten unsre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0338" n="326"/> das alte Haus des Czaren war verlassen, und die gänzliche Stille der Umgebung hatte etwas gespensterhaftes. 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Die Ausdehnung des Brandes in den 5 weiten, um den Kreml gebauten Häuserumkreisen, war so groß, daß die Astronomen uns bewiesen, wenn die Mondbewohner dieselben Fernrohre hätten wie wir, so hätten sie einen deutlichen hellen Fleck auf der Erde wahrnehmen, und daraus schließen müssen, daß dort etwas absonderliches vorgehe. </p><lb/> <p>So glänzend auch die französischen Nachrichten über die großen Waffenerfolge lauteten, so ließ man sich dadurch bei uns nicht bestechen; man fühlte sehr wohl, daß der Brand von Moskau ein wirksames Gegenmittel gegen die Schlacht von Borodino, und daß der Krieg noch lange nicht zu Ende sei. Allgemein bewundert ward die Grosherzigkeit des Kaisers Alexander, mit der er die Zerstörung der zweiten Hauptstadt seines Reiches wenn nicht angeordnet, so doch erlaubt habe. </p><lb/> <p>Was wird Napoléon jetzt anfangen? fragten unsre </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [326/0338]
das alte Haus des Czaren war verlassen, und die gänzliche Stille der Umgebung hatte etwas gespensterhaftes. Man glaubte in einer verzauberten Stadt aus 1001 Nacht sich zu befinden, deren Einwohner durch einen bösen Genius in Schlaf versenkt waren.
Ob der Brand von Moskau mit Bewilligung des Kaisers Alexander unternommen, oder von dem Fürsten von Repnin auf eigne Faust angefacht worden sei, darüber wurde damals viel hin und her gestritten, es ist auch, so viel ich weiß, bis jetzt nichts sicheres darüber ermittelt worden; so viel aber steht fest, daß die an der Gränze von Asien angezündete Fackel einen Wendepunkt in der Greschichte Europas beleuchtete, und daß vor diesem gewaltigen Feuerscheine der Glanz des napoleonischen Sternes erbleichen sollte. Die Ausdehnung des Brandes in den 5 weiten, um den Kreml gebauten Häuserumkreisen, war so groß, daß die Astronomen uns bewiesen, wenn die Mondbewohner dieselben Fernrohre hätten wie wir, so hätten sie einen deutlichen hellen Fleck auf der Erde wahrnehmen, und daraus schließen müssen, daß dort etwas absonderliches vorgehe.
So glänzend auch die französischen Nachrichten über die großen Waffenerfolge lauteten, so ließ man sich dadurch bei uns nicht bestechen; man fühlte sehr wohl, daß der Brand von Moskau ein wirksames Gegenmittel gegen die Schlacht von Borodino, und daß der Krieg noch lange nicht zu Ende sei. Allgemein bewundert ward die Grosherzigkeit des Kaisers Alexander, mit der er die Zerstörung der zweiten Hauptstadt seines Reiches wenn nicht angeordnet, so doch erlaubt habe.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/338>, abgerufen am 26.06.2024. |