Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ungefähr 11/2 Thalern. Wer nicht kam, der erhielt nichts, und so war diese kleine Gabe eine Belohnung für den fleißigen Besuch der Sitzungen. Nicolai war i. J. 1797 in die Akademie getreten, hatte also bis 1811 18 Jahre darin gesessen. Rechnet man jährlich 60 Sitzungen, so giebt dies 660 Jetons oder 875 Thlr. Wie viele Jetons im Februar 1813 noch vorhanden waren, wüßte ich nicht zu sagen. Mein Vater schickte sie alle in die Münze, und gab mir als Andenken zwei für meine kleine Münzsammlung, die mir indessen im Laufe der Jahre abhanden gekommen sind. Als der Aufruf zur allgemeinen Bewaffnung erschien, befand sich Berlin noch in französischen Händen. Der König war schon vorher nach Breslau gegangen, um dort die Rüstungen ungestört abwarten zu können. Man erzählte sich in der Stadt, daß diese Abreise noch einen andern Grund gehabt. Napoleon sollte damit umgegangen sein, den König gefangen zu nehmen, und gleichsam als Geißel für sein Land nach Frankreich abzuführen. Ob dieser Gewaltstreich den erwarteten Erfolg gehabt hätte, wurde sehr stark bezweifelt: denn so treu das Volk auch zu seinem Könige hielt, so war es doch entschlossen, die Befreiung des Vaterlandes allenfalls auch ohne ihn zu versuchen. Es war allgemein bekannt, daß er nicht die Seele der Bewegung sei, daß er vielmehr die durchgreifenden Neuerungen von Stein, Hardenberg, Scharnhorst und Gneisenau fast widerwillig angenommen, wenigstens gleichgültig geschehn lasse. Da er völlig außer Stande war, in irgend einer Angelegenheit die Initiative zu ergreifen, so brauchte er bei jedem neuen, außerordentlichen Vorschlage die kleinmüthige Redensart: das wird gewiß nicht gut gehn! Ging ungefähr 1½ Thalern. Wer nicht kam, der erhielt nichts, und so war diese kleine Gabe eine Belohnung für den fleißigen Besuch der Sitzungen. Nicolai war i. J. 1797 in die Akademie getreten, hatte also bis 1811 18 Jahre darin gesessen. Rechnet man jährlich 60 Sitzungen, so giebt dies 660 Jetons oder 875 Thlr. Wie viele Jetons im Februar 1813 noch vorhanden waren, wüßte ich nicht zu sagen. Mein Vater schickte sie alle in die Münze, und gab mir als Andenken zwei für meine kleine Münzsammlung, die mir indessen im Laufe der Jahre abhanden gekommen sind. Als der Aufruf zur allgemeinen Bewaffnung erschien, befand sich Berlin noch in französischen Händen. Der König war schon vorher nach Breslau gegangen, um dort die Rüstungen ungestört abwarten zu können. Man erzählte sich in der Stadt, daß diese Abreise noch einen andern Grund gehabt. Napoléon sollte damit umgegangen sein, den König gefangen zu nehmen, und gleichsam als Geißel für sein Land nach Frankreich abzuführen. Ob dieser Gewaltstreich den erwarteten Erfolg gehabt hätte, wurde sehr stark bezweifelt: denn so treu das Volk auch zu seinem Könige hielt, so war es doch entschlossen, die Befreiung des Vaterlandes allenfalls auch ohne ihn zu versuchen. Es war allgemein bekannt, daß er nicht die Seele der Bewegung sei, daß er vielmehr die durchgreifenden Neuerungen von Stein, Hardenberg, Scharnhorst und Gneisenau fast widerwillig angenommen, wenigstens gleichgültig geschehn lasse. Da er völlig außer Stande war, in irgend einer Angelegenheit die Initiative zu ergreifen, so brauchte er bei jedem neuen, außerordentlichen Vorschlage die kleinmüthige Redensart: das wird gewiß nicht gut gehn! Ging <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0350" n="338"/> ungefähr 1½ Thalern. Wer nicht kam, der erhielt nichts, und so war diese kleine Gabe eine Belohnung für den fleißigen Besuch der Sitzungen. Nicolai war i. J. 1797 in die Akademie getreten, hatte also bis 1811 18 Jahre darin gesessen. Rechnet man jährlich 60 Sitzungen, so giebt dies 660 Jetons oder 875 Thlr. Wie viele Jetons im Februar 1813 noch vorhanden waren, wüßte ich nicht zu sagen. Mein Vater schickte sie alle in die Münze, und gab mir als Andenken zwei für meine kleine Münzsammlung, die mir indessen im Laufe der Jahre abhanden gekommen sind. </p><lb/> <p>Als der Aufruf zur allgemeinen Bewaffnung erschien, befand sich Berlin noch in französischen Händen. Der König war schon vorher nach Breslau gegangen, um dort die Rüstungen ungestört abwarten zu können. Man erzählte sich in der Stadt, daß diese Abreise noch einen andern Grund gehabt. Napoléon sollte damit umgegangen sein, den König gefangen zu nehmen, und gleichsam als Geißel für sein Land nach Frankreich abzuführen. Ob dieser Gewaltstreich den erwarteten Erfolg gehabt hätte, wurde sehr stark bezweifelt: denn so treu das Volk auch zu seinem Könige hielt, so war es doch entschlossen, die Befreiung des Vaterlandes allenfalls auch ohne ihn zu versuchen. Es war allgemein bekannt, daß er nicht die Seele der Bewegung sei, daß er vielmehr die durchgreifenden Neuerungen von Stein, Hardenberg, Scharnhorst und Gneisenau fast widerwillig angenommen, wenigstens gleichgültig geschehn lasse. Da er völlig außer Stande war, in irgend einer Angelegenheit die Initiative zu ergreifen, so brauchte er bei jedem neuen, außerordentlichen Vorschlage die kleinmüthige Redensart: das wird gewiß nicht gut gehn! Ging </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [338/0350]
ungefähr 1½ Thalern. Wer nicht kam, der erhielt nichts, und so war diese kleine Gabe eine Belohnung für den fleißigen Besuch der Sitzungen. Nicolai war i. J. 1797 in die Akademie getreten, hatte also bis 1811 18 Jahre darin gesessen. Rechnet man jährlich 60 Sitzungen, so giebt dies 660 Jetons oder 875 Thlr. Wie viele Jetons im Februar 1813 noch vorhanden waren, wüßte ich nicht zu sagen. Mein Vater schickte sie alle in die Münze, und gab mir als Andenken zwei für meine kleine Münzsammlung, die mir indessen im Laufe der Jahre abhanden gekommen sind.
Als der Aufruf zur allgemeinen Bewaffnung erschien, befand sich Berlin noch in französischen Händen. Der König war schon vorher nach Breslau gegangen, um dort die Rüstungen ungestört abwarten zu können. Man erzählte sich in der Stadt, daß diese Abreise noch einen andern Grund gehabt. Napoléon sollte damit umgegangen sein, den König gefangen zu nehmen, und gleichsam als Geißel für sein Land nach Frankreich abzuführen. Ob dieser Gewaltstreich den erwarteten Erfolg gehabt hätte, wurde sehr stark bezweifelt: denn so treu das Volk auch zu seinem Könige hielt, so war es doch entschlossen, die Befreiung des Vaterlandes allenfalls auch ohne ihn zu versuchen. Es war allgemein bekannt, daß er nicht die Seele der Bewegung sei, daß er vielmehr die durchgreifenden Neuerungen von Stein, Hardenberg, Scharnhorst und Gneisenau fast widerwillig angenommen, wenigstens gleichgültig geschehn lasse. Da er völlig außer Stande war, in irgend einer Angelegenheit die Initiative zu ergreifen, so brauchte er bei jedem neuen, außerordentlichen Vorschlage die kleinmüthige Redensart: das wird gewiß nicht gut gehn! Ging
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/350 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/350>, abgerufen am 16.07.2024. |