Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Das Verhältniß zu den sächsischen Hofherren blieb indessen ein sehr freundschaftliches; zu Griesinger und Breyer faßten wir sogar wegen ihres muntern Wesens ein gewisses Zutrauen, Wendt dagegen repräsentirte in seinem stillen negativen Wesen vollkommen die steife Abgeschlossenheit und geistige Nullität seines Königs. Als nun die Verbündeten über den Rhein gingen, und Blücher mit großer Kühnheit in Frankreich sich vertiefte, ließen die sächsischen Herren es nicht an warnenden Aeußerungen fehlen, wie gefährlich es sei, in ein feindliches Land einzudringen, das sich ohne Zweifel für seinen glorreichen Herrscher erheben werde; schon höre man, daß Napoleon eine Levee en masse organisire; diese sei ungefähr unserem Landsturm gleich zu achten, aber wegen des feurigen Karakters der Franzosen viel furchtbarer; weit zuträglicher sei es, dem gewaltigen Kriegshelden, der zur Zeit noch nicht besiegt sei, billige Bedingungen zuzugestehn, wäre es auch nur, um ferneres Blutvergießen zu vermeiden. Solche und ähnliche Reden ließen zuweilen in den jugendlichen Gemüthem einen besorglichen Eindruck zurück. Aber fast unwillkührlich befreiten wir uns von diesen bänglichen Stimmungen durch einen Nachmittagsbesuch bei dem Grosvater Eichmann. Hatte er sein Mittagschläfchen vollbracht, so war er gewöhnlich sehr munter, und richtete unsern gesunkenen Muth durch seine kräftigen, derben, manchmal cynischen Aeußerungen wieder auf. Er freute sich, wenn wir ihm Nachrichten vom Kriegschauplatze mittheilen konnten, die noch nicht in den Zeitungen gestanden. Aber gewöhnlich wurde er übler Laune, wenn wir uns in das Gebiet der Politik versteigen wollten. Als der Kongreß von Chatillon uns einige Sorge Das Verhältniß zu den sächsischen Hofherren blieb indessen ein sehr freundschaftliches; zu Griesinger und Breyer faßten wir sogar wegen ihres muntern Wesens ein gewisses Zutrauen, Wendt dagegen repräsentirte in seinem stillen negativen Wesen vollkommen die steife Abgeschlossenheit und geistige Nullität seines Königs. Als nun die Verbündeten über den Rhein gingen, und Blücher mit großer Kühnheit in Frankreich sich vertiefte, ließen die sächsischen Herren es nicht an warnenden Aeußerungen fehlen, wie gefährlich es sei, in ein feindliches Land einzudringen, das sich ohne Zweifel für seinen glorreichen Herrscher erheben werde; schon höre man, daß Napoléon eine Levee en masse organisire; diese sei ungefähr unserem Landsturm gleich zu achten, aber wegen des feurigen Karakters der Franzosen viel furchtbarer; weit zuträglicher sei es, dem gewaltigen Kriegshelden, der zur Zeit noch nicht besiegt sei, billige Bedingungen zuzugestehn, wäre es auch nur, um ferneres Blutvergießen zu vermeiden. Solche und ähnliche Reden ließen zuweilen in den jugendlichen Gemüthem einen besorglichen Eindruck zurück. Aber fast unwillkührlich befreiten wir uns von diesen bänglichen Stimmungen durch einen Nachmittagsbesuch bei dem Grosvater Eichmann. Hatte er sein Mittagschläfchen vollbracht, so war er gewöhnlich sehr munter, und richtete unsern gesunkenen Muth durch seine kräftigen, derben, manchmal cynischen Aeußerungen wieder auf. Er freute sich, wenn wir ihm Nachrichten vom Kriegschauplatze mittheilen konnten, die noch nicht in den Zeitungen gestanden. Aber gewöhnlich wurde er übler Laune, wenn wir uns in das Gebiet der Politik versteigen wollten. Als der Kongreß von Chatillon uns einige Sorge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0429" n="417"/> </p><lb/> <p>Das Verhältniß zu den sächsischen Hofherren blieb indessen ein sehr freundschaftliches; zu Griesinger und Breyer faßten wir sogar wegen ihres muntern Wesens ein gewisses Zutrauen, Wendt dagegen repräsentirte in seinem stillen negativen Wesen vollkommen die steife Abgeschlossenheit und geistige Nullität seines Königs. Als nun die Verbündeten über den Rhein gingen, und Blücher mit großer Kühnheit in Frankreich sich vertiefte, ließen die sächsischen Herren es nicht an warnenden Aeußerungen fehlen, wie gefährlich es sei, in ein feindliches Land einzudringen, das sich ohne Zweifel für seinen glorreichen Herrscher erheben werde; schon höre man, daß Napoléon eine Levee en masse organisire; diese sei ungefähr unserem Landsturm gleich zu achten, aber wegen des feurigen Karakters der Franzosen viel furchtbarer; weit zuträglicher sei es, dem gewaltigen Kriegshelden, der zur Zeit noch nicht besiegt sei, billige Bedingungen zuzugestehn, wäre es auch nur, um ferneres Blutvergießen zu vermeiden. </p><lb/> <p>Solche und ähnliche Reden ließen zuweilen in den jugendlichen Gemüthem einen besorglichen Eindruck zurück. Aber fast unwillkührlich befreiten wir uns von diesen bänglichen Stimmungen durch einen Nachmittagsbesuch bei dem Grosvater Eichmann. Hatte er sein Mittagschläfchen vollbracht, so war er gewöhnlich sehr munter, und richtete unsern gesunkenen Muth durch seine kräftigen, derben, manchmal cynischen Aeußerungen wieder auf. Er freute sich, wenn wir ihm Nachrichten vom Kriegschauplatze mittheilen konnten, die noch nicht in den Zeitungen gestanden. Aber gewöhnlich wurde er übler Laune, wenn wir uns in das Gebiet der Politik versteigen wollten. Als der Kongreß von Chatillon uns einige Sorge </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [417/0429]
Das Verhältniß zu den sächsischen Hofherren blieb indessen ein sehr freundschaftliches; zu Griesinger und Breyer faßten wir sogar wegen ihres muntern Wesens ein gewisses Zutrauen, Wendt dagegen repräsentirte in seinem stillen negativen Wesen vollkommen die steife Abgeschlossenheit und geistige Nullität seines Königs. Als nun die Verbündeten über den Rhein gingen, und Blücher mit großer Kühnheit in Frankreich sich vertiefte, ließen die sächsischen Herren es nicht an warnenden Aeußerungen fehlen, wie gefährlich es sei, in ein feindliches Land einzudringen, das sich ohne Zweifel für seinen glorreichen Herrscher erheben werde; schon höre man, daß Napoléon eine Levee en masse organisire; diese sei ungefähr unserem Landsturm gleich zu achten, aber wegen des feurigen Karakters der Franzosen viel furchtbarer; weit zuträglicher sei es, dem gewaltigen Kriegshelden, der zur Zeit noch nicht besiegt sei, billige Bedingungen zuzugestehn, wäre es auch nur, um ferneres Blutvergießen zu vermeiden.
Solche und ähnliche Reden ließen zuweilen in den jugendlichen Gemüthem einen besorglichen Eindruck zurück. Aber fast unwillkührlich befreiten wir uns von diesen bänglichen Stimmungen durch einen Nachmittagsbesuch bei dem Grosvater Eichmann. Hatte er sein Mittagschläfchen vollbracht, so war er gewöhnlich sehr munter, und richtete unsern gesunkenen Muth durch seine kräftigen, derben, manchmal cynischen Aeußerungen wieder auf. Er freute sich, wenn wir ihm Nachrichten vom Kriegschauplatze mittheilen konnten, die noch nicht in den Zeitungen gestanden. Aber gewöhnlich wurde er übler Laune, wenn wir uns in das Gebiet der Politik versteigen wollten. Als der Kongreß von Chatillon uns einige Sorge
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/429>, abgerufen am 16.07.2024. |