Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Um die großen Räume des ersten Stockwerkes auf schickliche Art zu verbinden, legte Zelter eine bedeckte hölzerne Gallerie vermittelst eines Häng- und Sprengwerkes quer über den Hof und von dem Vorderhause nach der Mitte zu, in Form eines T. Dadurch wurde zwar der beabsichtigte Zweck erreicht, allein die Gallerie machte die unteren Bäume finster, und schwebte dem in den Hof tretenden in unheimlicher Nähe über dem Kopfe. Wir Kinder indessen kümmerten uns hierum sehr wenig, sondern benutzten sie als willkomnen Tummelplatz, wobei das Laufen und Springen auf den schallenden Brettern ein Hauptergötzen gewährte. Wenige Schritte von unserem Hause entfernt liegt in der Brüderstraße No. 10 die Probstei der Petrigemeinde. Auch dieses Haus macht Ansprüche darauf, für die Stelle des alten Klosters der barmherzigen Brüder zu gelten. Worauf diese Ansprüche sich gründen, habe ich nicht erfahren können, wohl aber wurde uns über die Probstei von den Nachbarn eine Schauergeschichte erzählt, die den jugendlichen Gemüthern sich unauslöschlich einprägte. Vor 100 Jahren, so hieß es, gehörte das weitläufige Gebäude einer alten, reichen, kinderlosen, geizigen Wittwe, die es ganz allein bewohnte, und nur ein Dachstübchen an einen armen Kandidaten der Theologie vermiethet hatte. Eines Morgens fand man die Wittwe erdrosselt im Bette und ihre Geldkiste ausgeraubt. Da die Dienstboten sich als unschuldig erwiesen, so fiel der Verdacht natürlich auf den armen Kandidaten. Man machte ihm den Prozeß und drohte nach dem damaligen Kriminalverfahren mit der Tortur. Ob er dadurch eingeschüchtert die That gestanden, Um die großen Räume des ersten Stockwerkes auf schickliche Art zu verbinden, legte Zelter eine bedeckte hölzerne Gallerie vermittelst eines Häng- und Sprengwerkes quer über den Hof und von dem Vorderhause nach der Mitte zu, in Form eines T. Dadurch wurde zwar der beabsichtigte Zweck erreicht, allein die Gallerie machte die unteren Bäume finster, und schwebte dem in den Hof tretenden in unheimlicher Nähe über dem Kopfe. Wir Kinder indessen kümmerten uns hierum sehr wenig, sondern benutzten sie als willkomnen Tummelplatz, wobei das Laufen und Springen auf den schallenden Brettern ein Hauptergötzen gewährte. Wenige Schritte von unserem Hause entfernt liegt in der Brüderstraße No. 10 die Probstei der Petrigemeinde. Auch dieses Haus macht Ansprüche darauf, für die Stelle des alten Klosters der barmherzigen Brüder zu gelten. Worauf diese Ansprüche sich gründen, habe ich nicht erfahren können, wohl aber wurde uns über die Probstei von den Nachbarn eine Schauergeschichte erzählt, die den jugendlichen Gemüthern sich unauslöschlich einprägte. Vor 100 Jahren, so hieß es, gehörte das weitläufige Gebäude einer alten, reichen, kinderlosen, geizigen Wittwe, die es ganz allein bewohnte, und nur ein Dachstübchen an einen armen Kandidaten der Theologie vermiethet hatte. Eines Morgens fand man die Wittwe erdrosselt im Bette und ihre Geldkiste ausgeraubt. Da die Dienstboten sich als unschuldig erwiesen, so fiel der Verdacht natürlich auf den armen Kandidaten. Man machte ihm den Prozeß und drohte nach dem damaligen Kriminalverfahren mit der Tortur. 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Worauf diese Ansprüche sich gründen, habe ich nicht erfahren können, wohl aber wurde uns über die Probstei von den Nachbarn eine Schauergeschichte erzählt, die den jugendlichen Gemüthern sich unauslöschlich einprägte. </p><lb/> <p>Vor 100 Jahren, so hieß es, gehörte das weitläufige Gebäude einer alten, reichen, kinderlosen, geizigen Wittwe, die es ganz allein bewohnte, und nur ein Dachstübchen an einen armen Kandidaten der Theologie vermiethet hatte. Eines Morgens fand man die Wittwe erdrosselt im Bette und ihre Geldkiste ausgeraubt. Da die Dienstboten sich als unschuldig erwiesen, so fiel der Verdacht natürlich auf den armen Kandidaten. Man machte ihm den Prozeß und drohte nach dem damaligen Kriminalverfahren mit der Tortur. Ob er dadurch eingeschüchtert die That gestanden, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0046]
Um die großen Räume des ersten Stockwerkes auf schickliche Art zu verbinden, legte Zelter eine bedeckte hölzerne Gallerie vermittelst eines Häng- und Sprengwerkes quer über den Hof und von dem Vorderhause nach der Mitte zu, in Form eines T. Dadurch wurde zwar der beabsichtigte Zweck erreicht, allein die Gallerie machte die unteren Bäume finster, und schwebte dem in den Hof tretenden in unheimlicher Nähe über dem Kopfe. Wir Kinder indessen kümmerten uns hierum sehr wenig, sondern benutzten sie als willkomnen Tummelplatz, wobei das Laufen und Springen auf den schallenden Brettern ein Hauptergötzen gewährte.
Wenige Schritte von unserem Hause entfernt liegt in der Brüderstraße No. 10 die Probstei der Petrigemeinde. Auch dieses Haus macht Ansprüche darauf, für die Stelle des alten Klosters der barmherzigen Brüder zu gelten. Worauf diese Ansprüche sich gründen, habe ich nicht erfahren können, wohl aber wurde uns über die Probstei von den Nachbarn eine Schauergeschichte erzählt, die den jugendlichen Gemüthern sich unauslöschlich einprägte.
Vor 100 Jahren, so hieß es, gehörte das weitläufige Gebäude einer alten, reichen, kinderlosen, geizigen Wittwe, die es ganz allein bewohnte, und nur ein Dachstübchen an einen armen Kandidaten der Theologie vermiethet hatte. Eines Morgens fand man die Wittwe erdrosselt im Bette und ihre Geldkiste ausgeraubt. Da die Dienstboten sich als unschuldig erwiesen, so fiel der Verdacht natürlich auf den armen Kandidaten. Man machte ihm den Prozeß und drohte nach dem damaligen Kriminalverfahren mit der Tortur. Ob er dadurch eingeschüchtert die That gestanden,
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