Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].wetter gefeiert Zur Ehre des Berliner Klimas will ich hier konstatiren, daß der erste Fall nur zu den Ausnahmen gehörte. Am 14. April 1818 hatten wir eine angenehme Wärme, der Geburtstagstisch war mit Blumen aller Art bedeckt, der Abend wurde, wie gewöhnlich, durch Musik verschönt, zu der die gesangreichen Schwestern Amalie und Auguste, so wie andre Talente geladen waren. Abeken hatte einen jungen Musiker aus Köln, Namens Bernard Klein mitgebracht, der sich anfangs in der zahlreichen Gesellschaft verlor und von uns nicht besonders beachtet ward. Als meine Mutter ihn freundlich aufforderte, uns etwas hören zu lassen, setzte er sich sogleich an den Flügel, zog eine Musikrolle aus der Tasche und sang ein Stück aus Tiedges Urania nach eigner Komposition. Obgleich seine Stimme keinen sonderlichen Klang hatte, so war doch sein Vortrag meisterhaft, der tiefe Ernst in der Auffassung, die kräftige Hand in der schmucklosen Begleitung, das innige Verständniß und die tadellose Deklamation der Worte zeugten von einem ungewöhnlichen Talente. Frau von der Recke und Tiedge, die die Ehrenplätze unter den Gästen einnahmen, sprachen ihre wärmste Anerkennung aus, die Musikverständigen lobten das sinnige Maaßhalten in den bewegten Rhythmen - kurz, alle fühlten, daß ein neuer Stern an unserem musikalischen Himmel aufgegangen sei. An einer emphatischen Stelle der Komposition war dem Sänger die Stimme übergeschnappt; ich empfand dabei einen ordentlichen Schreck, aber Klein sang ruhig weiter, und sagte nachher ohne alle Verlegenheit: ich hatte vergessen, Thee zu nehmen! Darauf begleitete er Auguste Sebald in der Arie der Elvira aus Don Juan: Mi tradi quell' alma ingrata, welche viele Musiker wegen wetter gefeiert Zur Ehre des Berliner Klimas will ich hier konstatiren, daß der erste Fall nur zu den Ausnahmen gehörte. Am 14. April 1818 hatten wir eine angenehme Wärme, der Geburtstagstisch war mit Blumen aller Art bedeckt, der Abend wurde, wie gewöhnlich, durch Musik verschönt, zu der die gesangreichen Schwestern Amalie und Auguste, so wie andre Talente geladen waren. Abeken hatte einen jungen Musiker aus Köln, Namens Bernard Klein mitgebracht, der sich anfangs in der zahlreichen Gesellschaft verlor und von uns nicht besonders beachtet ward. Als meine Mutter ihn freundlich aufforderte, uns etwas hören zu lassen, setzte er sich sogleich an den Flügel, zog eine Musikrolle aus der Tasche und sang ein Stück aus Tiedges Urania nach eigner Komposition. Obgleich seine Stimme keinen sonderlichen Klang hatte, so war doch sein Vortrag meisterhaft, der tiefe Ernst in der Auffassung, die kräftige Hand in der schmucklosen Begleitung, das innige Verständniß und die tadellose Deklamation der Worte zeugten von einem ungewöhnlichen Talente. Frau von der Recke und Tiedge, die die Ehrenplätze unter den Gästen einnahmen, sprachen ihre wärmste Anerkennung aus, die Musikverständigen lobten das sinnige Maaßhalten in den bewegten Rhythmen – kurz, alle fühlten, daß ein neuer Stern an unserem musikalischen Himmel aufgegangen sei. An einer emphatischen Stelle der Komposition war dem Sänger die Stimme übergeschnappt; ich empfand dabei einen ordentlichen Schreck, aber Klein sang ruhig weiter, und sagte nachher ohne alle Verlegenheit: ich hatte vergessen, Thee zu nehmen! Darauf begleitete er Auguste Sebald in der Arie der Elvira aus Don Juan: Mi tradi quell’ alma ingrata, welche viele Musiker wegen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0195" n="187"/> wetter gefeiert Zur Ehre des Berliner Klimas will ich hier konstatiren, daß der erste Fall nur zu den Ausnahmen gehörte. Am 14. April 1818 hatten wir eine angenehme Wärme, der Geburtstagstisch war mit Blumen aller Art bedeckt, der Abend wurde, wie gewöhnlich, durch Musik verschönt, zu der die gesangreichen Schwestern Amalie und Auguste, so wie andre Talente geladen waren. Abeken hatte einen jungen Musiker aus Köln, Namens Bernard Klein mitgebracht, der sich anfangs in der zahlreichen Gesellschaft verlor und von uns nicht besonders beachtet ward. Als meine Mutter ihn freundlich aufforderte, uns etwas hören zu lassen, setzte er sich sogleich an den Flügel, zog eine Musikrolle aus der Tasche und sang ein Stück aus Tiedges Urania nach eigner Komposition. Obgleich seine Stimme keinen sonderlichen Klang hatte, so war doch sein Vortrag meisterhaft, der tiefe Ernst in der Auffassung, die kräftige Hand in der schmucklosen Begleitung, das innige Verständniß und die tadellose Deklamation der Worte zeugten von einem ungewöhnlichen Talente. Frau von der Recke und Tiedge, die die Ehrenplätze unter den Gästen einnahmen, sprachen ihre wärmste Anerkennung aus, die Musikverständigen lobten das sinnige Maaßhalten in den bewegten Rhythmen – kurz, alle fühlten, daß ein neuer Stern an unserem musikalischen Himmel aufgegangen sei. An einer emphatischen Stelle der Komposition war dem Sänger die Stimme übergeschnappt; ich empfand dabei einen ordentlichen Schreck, aber Klein sang ruhig weiter, und sagte nachher ohne alle Verlegenheit: ich hatte vergessen, Thee zu nehmen! Darauf begleitete er Auguste Sebald in der Arie der Elvira aus Don Juan: Mi tradi quell’ alma ingrata, welche viele Musiker wegen </p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0195]
wetter gefeiert Zur Ehre des Berliner Klimas will ich hier konstatiren, daß der erste Fall nur zu den Ausnahmen gehörte. Am 14. April 1818 hatten wir eine angenehme Wärme, der Geburtstagstisch war mit Blumen aller Art bedeckt, der Abend wurde, wie gewöhnlich, durch Musik verschönt, zu der die gesangreichen Schwestern Amalie und Auguste, so wie andre Talente geladen waren. Abeken hatte einen jungen Musiker aus Köln, Namens Bernard Klein mitgebracht, der sich anfangs in der zahlreichen Gesellschaft verlor und von uns nicht besonders beachtet ward. Als meine Mutter ihn freundlich aufforderte, uns etwas hören zu lassen, setzte er sich sogleich an den Flügel, zog eine Musikrolle aus der Tasche und sang ein Stück aus Tiedges Urania nach eigner Komposition. Obgleich seine Stimme keinen sonderlichen Klang hatte, so war doch sein Vortrag meisterhaft, der tiefe Ernst in der Auffassung, die kräftige Hand in der schmucklosen Begleitung, das innige Verständniß und die tadellose Deklamation der Worte zeugten von einem ungewöhnlichen Talente. Frau von der Recke und Tiedge, die die Ehrenplätze unter den Gästen einnahmen, sprachen ihre wärmste Anerkennung aus, die Musikverständigen lobten das sinnige Maaßhalten in den bewegten Rhythmen – kurz, alle fühlten, daß ein neuer Stern an unserem musikalischen Himmel aufgegangen sei. An einer emphatischen Stelle der Komposition war dem Sänger die Stimme übergeschnappt; ich empfand dabei einen ordentlichen Schreck, aber Klein sang ruhig weiter, und sagte nachher ohne alle Verlegenheit: ich hatte vergessen, Thee zu nehmen! Darauf begleitete er Auguste Sebald in der Arie der Elvira aus Don Juan: Mi tradi quell’ alma ingrata, welche viele Musiker wegen
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