Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].solche Schenkung mit allen Kräften protestirte, versteht sich von selbst. "Bedenken Sie", sagte ich, "daß nur drei Exemplare davon existiren!" - Und wenn es das einzige wäre, so würde es in Ihrer großen Bibliothek besser aufgehoben sein, als bei mir. - Aber was wird Herr von Rosenzweig sagen? - Er ist nach Rußland abgereist und kömmt nie wieder! - Wie kann ich ein solches Geschenk von Ihnen annehmen? - Thun Sie es immer; sonst schenk' ich es einem andern, der mir weniger lieb ist als Sie. Gestern war Sapphir bei mir, und fand großes Wohlgefallen daran; wenn er morgen wiederkömmt, so stehe ich für nichts! - Hier entstand in meiner Brust ein gewaltiger Widerstreit der Gefühle. Hätte ich nicht die feste Ueberzeugung gehabt, daß Tiedge, vermöge seines schwachen Karakters, die schöne Ausgabe unfehlbar an Sapphir weggeben werde, wenn dieser sie hinlänglich lobte, so hätte ich mich wohl nicht entschlossen, sie anzunehmen, so aber war mir der Gedanke unerträglich, ein solches Kleinod in den Händen eines unwissenden Juden zu sehn; ich gab endlich Tiedges wiederholten Bitten nach, und bewahre dies Pergamentexemplar als ein theures Andenken an den lieben Freund. Im Januar 1815 kam die Fürstin Pauline von Hohenzollern-Hechingen, Nichte der Frau von der Recke, zum Besuche nach Berlin, und belebte die Abendzirkel ihrer Tante durch ihre muntre Gegenwart. Sie erinnerte sich meiner mit vieler Freundlichkeit, und brachte mir Grüße von ihrem, in den Haaren gerauften Sohne Constantin; ich hütete mich aber wohl, von diesen Vorkomnissen meinen Schulkameraden irgend etwas mitzutheilen. Gegen ihren ehemaligen Vormund Göckingk war die Fürstin von der solche Schenkung mit allen Kräften protestirte, versteht sich von selbst. „Bedenken Sie“, sagte ich, „daß nur drei Exemplare davon existiren!“ – Und wenn es das einzige wäre, so würde es in Ihrer großen Bibliothek besser aufgehoben sein, als bei mir. – Aber was wird Herr von Rosenzweig sagen? – Er ist nach Rußland abgereist und kömmt nie wieder! – Wie kann ich ein solches Geschenk von Ihnen annehmen? – Thun Sie es immer; sonst schenk’ ich es einem andern, der mir weniger lieb ist als Sie. Gestern war Sapphir bei mir, und fand großes Wohlgefallen daran; wenn er morgen wiederkömmt, so stehe ich für nichts! – Hier entstand in meiner Brust ein gewaltiger Widerstreit der Gefühle. Hätte ich nicht die feste Ueberzeugung gehabt, daß Tiedge, vermöge seines schwachen Karakters, die schöne Ausgabe unfehlbar an Sapphir weggeben werde, wenn dieser sie hinlänglich lobte, so hätte ich mich wohl nicht entschlossen, sie anzunehmen, so aber war mir der Gedanke unerträglich, ein solches Kleinod in den Händen eines unwissenden Juden zu sehn; ich gab endlich Tiedges wiederholten Bitten nach, und bewahre dies Pergamentexemplar als ein theures Andenken an den lieben Freund. Im Januar 1815 kam die Fürstin Pauline von Hohenzollern-Hechingen, Nichte der Frau von der Recke, zum Besuche nach Berlin, und belebte die Abendzirkel ihrer Tante durch ihre muntre Gegenwart. Sie erinnerte sich meiner mit vieler Freundlichkeit, und brachte mir Grüße von ihrem, in den Haaren gerauften Sohne Constantin; ich hütete mich aber wohl, von diesen Vorkomnissen meinen Schulkameraden irgend etwas mitzutheilen. Gegen ihren ehemaligen Vormund Göckingk war die Fürstin von der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="20"/> solche Schenkung mit allen Kräften protestirte, versteht sich von selbst. „Bedenken Sie“, sagte ich, „daß nur drei Exemplare davon existiren!“ – Und wenn es das einzige wäre, so würde es in Ihrer großen Bibliothek besser aufgehoben sein, als bei mir. – Aber was wird Herr von Rosenzweig sagen? – Er ist nach Rußland abgereist und kömmt nie wieder! – Wie kann ich ein solches Geschenk von Ihnen annehmen? – Thun Sie es immer; sonst schenk’ ich es einem andern, der mir weniger lieb ist als Sie. Gestern war Sapphir bei mir, und fand großes Wohlgefallen daran; wenn er morgen wiederkömmt, so stehe ich für nichts! – Hier entstand in meiner Brust ein gewaltiger Widerstreit der Gefühle. Hätte ich nicht die feste Ueberzeugung gehabt, daß Tiedge, vermöge seines schwachen Karakters, die schöne Ausgabe unfehlbar an Sapphir weggeben werde, wenn dieser sie hinlänglich lobte, so hätte ich mich wohl nicht entschlossen, sie anzunehmen, so aber war mir der Gedanke unerträglich, ein solches Kleinod in den Händen eines unwissenden Juden zu sehn; ich gab endlich Tiedges wiederholten Bitten nach, und bewahre dies Pergamentexemplar als ein theures Andenken an den lieben Freund. </p><lb/> <p>Im Januar 1815 kam die Fürstin Pauline von Hohenzollern-Hechingen, Nichte der Frau von der Recke, zum Besuche nach Berlin, und belebte die Abendzirkel ihrer Tante durch ihre muntre Gegenwart. Sie erinnerte sich meiner mit vieler Freundlichkeit, und brachte mir Grüße von ihrem, in den Haaren gerauften Sohne Constantin; ich hütete mich aber wohl, von diesen Vorkomnissen meinen Schulkameraden irgend etwas mitzutheilen. Gegen ihren ehemaligen Vormund Göckingk war die Fürstin von der </p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0028]
solche Schenkung mit allen Kräften protestirte, versteht sich von selbst. „Bedenken Sie“, sagte ich, „daß nur drei Exemplare davon existiren!“ – Und wenn es das einzige wäre, so würde es in Ihrer großen Bibliothek besser aufgehoben sein, als bei mir. – Aber was wird Herr von Rosenzweig sagen? – Er ist nach Rußland abgereist und kömmt nie wieder! – Wie kann ich ein solches Geschenk von Ihnen annehmen? – Thun Sie es immer; sonst schenk’ ich es einem andern, der mir weniger lieb ist als Sie. Gestern war Sapphir bei mir, und fand großes Wohlgefallen daran; wenn er morgen wiederkömmt, so stehe ich für nichts! – Hier entstand in meiner Brust ein gewaltiger Widerstreit der Gefühle. Hätte ich nicht die feste Ueberzeugung gehabt, daß Tiedge, vermöge seines schwachen Karakters, die schöne Ausgabe unfehlbar an Sapphir weggeben werde, wenn dieser sie hinlänglich lobte, so hätte ich mich wohl nicht entschlossen, sie anzunehmen, so aber war mir der Gedanke unerträglich, ein solches Kleinod in den Händen eines unwissenden Juden zu sehn; ich gab endlich Tiedges wiederholten Bitten nach, und bewahre dies Pergamentexemplar als ein theures Andenken an den lieben Freund.
Im Januar 1815 kam die Fürstin Pauline von Hohenzollern-Hechingen, Nichte der Frau von der Recke, zum Besuche nach Berlin, und belebte die Abendzirkel ihrer Tante durch ihre muntre Gegenwart. Sie erinnerte sich meiner mit vieler Freundlichkeit, und brachte mir Grüße von ihrem, in den Haaren gerauften Sohne Constantin; ich hütete mich aber wohl, von diesen Vorkomnissen meinen Schulkameraden irgend etwas mitzutheilen. Gegen ihren ehemaligen Vormund Göckingk war die Fürstin von der
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