Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].In dem Gewirre so vieler sich bekämpfenden Interessen war Preußen ohne Zweifel in der schwierigsten Stellung. Durch den Heldenmuth seiner Krieger hatte es einen ehrenvollen Platz unter den europäischen Grosmächten errungen; nun galt es, diesen Platz gegen offnen Widerstand und heimliche Misgunst siegreich zu behaupten. Fürst Hardenberg war mit allen Eigenschaften ausgerüstet, um diese Aufgabe zu lösen. Daß er sie nicht so gelöst, wie die hochfliegenden Hofhungen der preußischen Patrioten mit allzugroßer Selbstüberhebung erwarteten, das darf man weniger ihm, als den ungünstigen Umständen, unter denen er arbeitete, zur Last legen. Ueber ihn sagte Wilhelm von Humboldt in richtiger Erkenntniß der damaligen Weltlage: wenn man einem Dichter hätte aufgeben wollen, einen poetischen Karakter für die preußischen Verhältnisse zu erfinden, so hätte er keinen glücklicheren darstellen können, als den Fürsten Hardenberg. Die Lage Hardenbergs, dieses durch und durch preußischen Staatsmannes, wurde noch dadurch erschwert, daß er an seinem Könige gar keinen Rückhalt fand. Im Gefühle der Unzulänglichkeit seiner geistigen Mittel war der König nicht dazu zu bewegen, durch mündliche Besprechung mit den anderen Monarchen manche große oder kleine Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen, so oft Hardenberg ihn auch dazu aufforderte. Kaiser Alexander war gescheut und verschlagen genug, um für sich selbst zu unterhandeln. Vom Kaiser Franz wußte man, daß er sich eifriger als je mit der Siegellackfabrikation beschäftige, und nach gewohnter Weise alle Abend sein Quartettchen spiele. Bei den auftauchenden Schwierigkeiten, die etwa zu seiner Kenntniß kamen, pflegte er zu sagen: soll mich In dem Gewirre so vieler sich bekämpfenden Interessen war Preußen ohne Zweifel in der schwierigsten Stellung. Durch den Heldenmuth seiner Krieger hatte es einen ehrenvollen Platz unter den europäischen Grosmächten errungen; nun galt es, diesen Platz gegen offnen Widerstand und heimliche Misgunst siegreich zu behaupten. Fürst Hardenberg war mit allen Eigenschaften ausgerüstet, um diese Aufgabe zu lösen. Daß er sie nicht so gelöst, wie die hochfliegenden Hofhungen der preußischen Patrioten mit allzugroßer Selbstüberhebung erwarteten, das darf man weniger ihm, als den ungünstigen Umständen, unter denen er arbeitete, zur Last legen. Ueber ihn sagte Wilhelm von Humboldt in richtiger Erkenntniß der damaligen Weltlage: wenn man einem Dichter hätte aufgeben wollen, einen poetischen Karakter für die preußischen Verhältnisse zu erfinden, so hätte er keinen glücklicheren darstellen können, als den Fürsten Hardenberg. Die Lage Hardenbergs, dieses durch und durch preußischen Staatsmannes, wurde noch dadurch erschwert, daß er an seinem Könige gar keinen Rückhalt fand. Im Gefühle der Unzulänglichkeit seiner geistigen Mittel war der König nicht dazu zu bewegen, durch mündliche Besprechung mit den anderen Monarchen manche große oder kleine Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen, so oft Hardenberg ihn auch dazu aufforderte. Kaiser Alexander war gescheut und verschlagen genug, um für sich selbst zu unterhandeln. Vom Kaiser Franz wußte man, daß er sich eifriger als je mit der Siegellackfabrikation beschäftige, und nach gewohnter Weise alle Abend sein Quartettchen spiele. Bei den auftauchenden Schwierigkeiten, die etwa zu seiner Kenntniß kamen, pflegte er zu sagen: soll mich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0038" n="30"/> </p><lb/> <p>In dem Gewirre so vieler sich bekämpfenden Interessen war Preußen ohne Zweifel in der schwierigsten Stellung. Durch den Heldenmuth seiner Krieger hatte es einen ehrenvollen Platz unter den europäischen Grosmächten errungen; nun galt es, diesen Platz gegen offnen Widerstand und heimliche Misgunst siegreich zu behaupten. Fürst Hardenberg war mit allen Eigenschaften ausgerüstet, um diese Aufgabe zu lösen. Daß er sie nicht so gelöst, wie die hochfliegenden Hofhungen der preußischen Patrioten mit allzugroßer Selbstüberhebung erwarteten, das darf man weniger ihm, als den ungünstigen Umständen, unter denen er arbeitete, zur Last legen. Ueber ihn sagte Wilhelm von Humboldt in richtiger Erkenntniß der damaligen Weltlage: wenn man einem Dichter hätte aufgeben wollen, einen poetischen Karakter für die preußischen Verhältnisse zu erfinden, so hätte er keinen glücklicheren darstellen können, als den Fürsten Hardenberg. Die Lage Hardenbergs, dieses durch und durch preußischen Staatsmannes, wurde noch dadurch erschwert, daß er an seinem Könige gar keinen Rückhalt fand. Im Gefühle der Unzulänglichkeit seiner geistigen Mittel war der König nicht dazu zu bewegen, durch mündliche Besprechung mit den anderen Monarchen manche große oder kleine Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen, so oft Hardenberg ihn auch dazu aufforderte. Kaiser Alexander war gescheut und verschlagen genug, um für sich selbst zu unterhandeln. Vom Kaiser Franz wußte man, daß er sich eifriger als je mit der Siegellackfabrikation beschäftige, und nach gewohnter Weise alle Abend sein Quartettchen spiele. Bei den auftauchenden Schwierigkeiten, die etwa zu seiner Kenntniß kamen, pflegte er zu sagen: soll mich </p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0038]
In dem Gewirre so vieler sich bekämpfenden Interessen war Preußen ohne Zweifel in der schwierigsten Stellung. Durch den Heldenmuth seiner Krieger hatte es einen ehrenvollen Platz unter den europäischen Grosmächten errungen; nun galt es, diesen Platz gegen offnen Widerstand und heimliche Misgunst siegreich zu behaupten. Fürst Hardenberg war mit allen Eigenschaften ausgerüstet, um diese Aufgabe zu lösen. Daß er sie nicht so gelöst, wie die hochfliegenden Hofhungen der preußischen Patrioten mit allzugroßer Selbstüberhebung erwarteten, das darf man weniger ihm, als den ungünstigen Umständen, unter denen er arbeitete, zur Last legen. Ueber ihn sagte Wilhelm von Humboldt in richtiger Erkenntniß der damaligen Weltlage: wenn man einem Dichter hätte aufgeben wollen, einen poetischen Karakter für die preußischen Verhältnisse zu erfinden, so hätte er keinen glücklicheren darstellen können, als den Fürsten Hardenberg. Die Lage Hardenbergs, dieses durch und durch preußischen Staatsmannes, wurde noch dadurch erschwert, daß er an seinem Könige gar keinen Rückhalt fand. Im Gefühle der Unzulänglichkeit seiner geistigen Mittel war der König nicht dazu zu bewegen, durch mündliche Besprechung mit den anderen Monarchen manche große oder kleine Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen, so oft Hardenberg ihn auch dazu aufforderte. Kaiser Alexander war gescheut und verschlagen genug, um für sich selbst zu unterhandeln. Vom Kaiser Franz wußte man, daß er sich eifriger als je mit der Siegellackfabrikation beschäftige, und nach gewohnter Weise alle Abend sein Quartettchen spiele. Bei den auftauchenden Schwierigkeiten, die etwa zu seiner Kenntniß kamen, pflegte er zu sagen: soll mich
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