Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].doch wundern, wie der Metternich sich da herausziehn wird! Doch war er auch gern bereit, wenn Metternich es verlangte, auf seine treuherzige Weise durch persönliche Besprechung in den Gang der Geschäfte fördernd einzugreifen. So kam es denn, daß Oestreich außer dem Vollbestande der früheren Monarchie auch noch Galizien, als ein Stück der polnischen Beute erhielt, und überdies mit den herrlichen italienischen Provinzen, der Lombardei und Venetien bedacht ward. Wer hätte nicht damals den östreichischen Kaiserstaat als einen der mächtigsten und solidesten Staatskörper betrachtet? Man hielt es für ein Zeichen der ausgedehntesten Macht, daß dort manche allgemeinen Regierungsverordnungen in 16 verschiedenen Sprachen gedruckt wurden; man pries das Talent des Kaisers Franz, daß er den ungarischen, böhmischen, kroatischen und italienischen Deputationen je in ihrer Sprache zu antworten wisse. Niemand ahnte, daß nach 50 Jahren das erwachte, oder wenn man will, wach gerufene Nationalitätsprincip dem Kaiserstaate die schwersten Kämpfe bereiten werde. Rußland erhielt auf dem Kongresse außer dem, den Schweden entrissenen Finnland, noch das Hauptstück der polnischen Beute, das Königreich Polen mit der Hauptstadt Warschau. Von einer Wiederherstellung des Königreiches Polen unter einheimischen Fürsten war auf dem Wiener Kongresse niemals ernsthaft die Rede. Die dort versammelten Staatsmänner waren der Ansicht, daß eine solche künstliche Schöpfung nicht sowohl eine Vormauer gegen Rußland, als vielmehr eine beständig drohende Gefahr für alle Nachbarstaaten sein werde. Kaiser Alexander doch wundern, wie der Metternich sich da herausziehn wird! Doch war er auch gern bereit, wenn Metternich es verlangte, auf seine treuherzige Weise durch persönliche Besprechung in den Gang der Geschäfte fördernd einzugreifen. So kam es denn, daß Oestreich außer dem Vollbestande der früheren Monarchie auch noch Galizien, als ein Stück der polnischen Beute erhielt, und überdies mit den herrlichen italienischen Provinzen, der Lombardei und Venetien bedacht ward. Wer hätte nicht damals den östreichischen Kaiserstaat als einen der mächtigsten und solidesten Staatskörper betrachtet? Man hielt es für ein Zeichen der ausgedehntesten Macht, daß dort manche allgemeinen Regierungsverordnungen in 16 verschiedenen Sprachen gedruckt wurden; man pries das Talent des Kaisers Franz, daß er den ungarischen, böhmischen, kroatischen und italienischen Deputationen je in ihrer Sprache zu antworten wisse. Niemand ahnte, daß nach 50 Jahren das erwachte, oder wenn man will, wach gerufene Nationalitätsprincip dem Kaiserstaate die schwersten Kämpfe bereiten werde. Rußland erhielt auf dem Kongresse außer dem, den Schweden entrissenen Finnland, noch das Hauptstück der polnischen Beute, das Königreich Polen mit der Hauptstadt Warschau. Von einer Wiederherstellung des Königreiches Polen unter einheimischen Fürsten war auf dem Wiener Kongresse niemals ernsthaft die Rede. Die dort versammelten Staatsmänner waren der Ansicht, daß eine solche künstliche Schöpfung nicht sowohl eine Vormauer gegen Rußland, als vielmehr eine beständig drohende Gefahr für alle Nachbarstaaten sein werde. Kaiser Alexander <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="31"/> doch wundern, wie der Metternich sich da herausziehn wird! Doch war er auch gern bereit, wenn Metternich es verlangte, auf seine treuherzige Weise durch persönliche Besprechung in den Gang der Geschäfte fördernd einzugreifen. </p><lb/> <p>So kam es denn, daß Oestreich außer dem Vollbestande der früheren Monarchie auch noch Galizien, als ein Stück der polnischen Beute erhielt, und überdies mit den herrlichen italienischen Provinzen, der Lombardei und Venetien bedacht ward. Wer hätte nicht damals den östreichischen Kaiserstaat als einen der mächtigsten und solidesten Staatskörper betrachtet? Man hielt es für ein Zeichen der ausgedehntesten Macht, daß dort manche allgemeinen Regierungsverordnungen in 16 verschiedenen Sprachen gedruckt wurden; man pries das Talent des Kaisers Franz, daß er den ungarischen, böhmischen, kroatischen und italienischen Deputationen je in ihrer Sprache zu antworten wisse. Niemand ahnte, daß nach 50 Jahren das erwachte, oder wenn man will, wach gerufene Nationalitätsprincip dem Kaiserstaate die schwersten Kämpfe bereiten werde. </p><lb/> <p>Rußland erhielt auf dem Kongresse außer dem, den Schweden entrissenen Finnland, noch das Hauptstück der polnischen Beute, das Königreich Polen mit der Hauptstadt Warschau. Von einer Wiederherstellung des Königreiches Polen unter einheimischen Fürsten war auf dem Wiener Kongresse niemals ernsthaft die Rede. Die dort versammelten Staatsmänner waren der Ansicht, daß eine solche künstliche Schöpfung nicht sowohl eine Vormauer gegen Rußland, als vielmehr eine beständig drohende Gefahr für alle Nachbarstaaten sein werde. Kaiser Alexander </p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0039]
doch wundern, wie der Metternich sich da herausziehn wird! Doch war er auch gern bereit, wenn Metternich es verlangte, auf seine treuherzige Weise durch persönliche Besprechung in den Gang der Geschäfte fördernd einzugreifen.
So kam es denn, daß Oestreich außer dem Vollbestande der früheren Monarchie auch noch Galizien, als ein Stück der polnischen Beute erhielt, und überdies mit den herrlichen italienischen Provinzen, der Lombardei und Venetien bedacht ward. Wer hätte nicht damals den östreichischen Kaiserstaat als einen der mächtigsten und solidesten Staatskörper betrachtet? Man hielt es für ein Zeichen der ausgedehntesten Macht, daß dort manche allgemeinen Regierungsverordnungen in 16 verschiedenen Sprachen gedruckt wurden; man pries das Talent des Kaisers Franz, daß er den ungarischen, böhmischen, kroatischen und italienischen Deputationen je in ihrer Sprache zu antworten wisse. Niemand ahnte, daß nach 50 Jahren das erwachte, oder wenn man will, wach gerufene Nationalitätsprincip dem Kaiserstaate die schwersten Kämpfe bereiten werde.
Rußland erhielt auf dem Kongresse außer dem, den Schweden entrissenen Finnland, noch das Hauptstück der polnischen Beute, das Königreich Polen mit der Hauptstadt Warschau. Von einer Wiederherstellung des Königreiches Polen unter einheimischen Fürsten war auf dem Wiener Kongresse niemals ernsthaft die Rede. Die dort versammelten Staatsmänner waren der Ansicht, daß eine solche künstliche Schöpfung nicht sowohl eine Vormauer gegen Rußland, als vielmehr eine beständig drohende Gefahr für alle Nachbarstaaten sein werde. Kaiser Alexander
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |