Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].der römischen Kirche im 19. Jahrhundert von Aufklärung die Rede sein kann. Consalvi hatte in den Jahren 1810 und 1811 mit Napoleon I. wegen eines Konkordates unterhandelt, und dabei nicht gewöhnliche diplomatische Talente entwickelt. Was irgend gegen den brutalen Eigenwillen des französischen Herrschers zu erreichen war, das hatte Consalvi erreicht. Dreimal hatte er den Entwurf des Konkordates zurückgezogen, ehe es in seiner endgültigen Fassung angenommen wurde. Auf dem Wiener Kongresse vertrat Consalvi die Interessen des Papstes. Hier kam er mit den bedeutendsten Diplomaten in Berührung, und hatte Gelegenheit, ihre Ansichten mit den seinigen zu vergleichen. Erst ganz kürzlich (im Frühjahr 1868) veröffentlichte ein römisches Journal Auszüge aus Consalvis Briefen, die er während jener Zeit geschrieben. Die darin entwickelten Grundsätze scheinen mir so merkwürdig, und sind gewiß so wenig bekannt, daß ich einiges daraus kurz anführen will. Consalvi berichtet von einer langen vertraulichen Unterredung, die er mit Hardenberg und Humboldt gehabt. Bei ihnen habe er die gröste Geneigtheit gefunden, den kirchlichen Ansprüchen des Papstes gerecht zu werden, insofern sie sich mit den weltlichen Forderungen der übrigen Mächte vertrügen. Die Herren hätten ihm eingestanden, daß das, was man jetzt in Wien feststelle, nur ein halbes Werk sei, das keine Aussicht auf Dauer habe: denn es sei nicht gelungen, die Interessen der Völker mit denen der Fürsten auf eine befriedigende Weise zu verbinden. Was aber ihn (Consalvi) am meisten für die Zukunft besorgt mache, sei der Umstand, das man es nicht werde vermeiden können, nach dem Beispiele Englands in den übrigen Ländern auch die Preßfreiheit einzuführen. Hierin der römischen Kirche im 19. Jahrhundert von Aufklärung die Rede sein kann. Consalvi hatte in den Jahren 1810 und 1811 mit Napoléon I. wegen eines Konkordates unterhandelt, und dabei nicht gewöhnliche diplomatische Talente entwickelt. Was irgend gegen den brutalen Eigenwillen des französischen Herrschers zu erreichen war, das hatte Consalvi erreicht. Dreimal hatte er den Entwurf des Konkordates zurückgezogen, ehe es in seiner endgültigen Fassung angenommen wurde. Auf dem Wiener Kongresse vertrat Consalvi die Interessen des Papstes. Hier kam er mit den bedeutendsten Diplomaten in Berührung, und hatte Gelegenheit, ihre Ansichten mit den seinigen zu vergleichen. Erst ganz kürzlich (im Frühjahr 1868) veröffentlichte ein römisches Journal Auszüge aus Consalvis Briefen, die er während jener Zeit geschrieben. Die darin entwickelten Grundsätze scheinen mir so merkwürdig, und sind gewiß so wenig bekannt, daß ich einiges daraus kurz anführen will. Consalvi berichtet von einer langen vertraulichen Unterredung, die er mit Hardenberg und Humboldt gehabt. Bei ihnen habe er die gröste Geneigtheit gefunden, den kirchlichen Ansprüchen des Papstes gerecht zu werden, insofern sie sich mit den weltlichen Forderungen der übrigen Mächte vertrügen. Die Herren hätten ihm eingestanden, daß das, was man jetzt in Wien feststelle, nur ein halbes Werk sei, das keine Aussicht auf Dauer habe: denn es sei nicht gelungen, die Interessen der Völker mit denen der Fürsten auf eine befriedigende Weise zu verbinden. Was aber ihn (Consalvi) am meisten für die Zukunft besorgt mache, sei der Umstand, das man es nicht werde vermeiden können, nach dem Beispiele Englands in den übrigen Ländern auch die Preßfreiheit einzuführen. Hierin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="35"/> der römischen Kirche im 19. Jahrhundert von Aufklärung die Rede sein kann. Consalvi hatte in den Jahren 1810 und 1811 mit Napoléon I. wegen eines Konkordates unterhandelt, und dabei nicht gewöhnliche diplomatische Talente entwickelt. Was irgend gegen den brutalen Eigenwillen des französischen Herrschers zu erreichen war, das hatte Consalvi erreicht. Dreimal hatte er den Entwurf des Konkordates zurückgezogen, ehe es in seiner endgültigen Fassung angenommen wurde. Auf dem Wiener Kongresse vertrat Consalvi die Interessen des Papstes. Hier kam er mit den bedeutendsten Diplomaten in Berührung, und hatte Gelegenheit, ihre Ansichten mit den seinigen zu vergleichen. Erst ganz kürzlich (im Frühjahr 1868) veröffentlichte ein römisches Journal Auszüge aus Consalvis Briefen, die er während jener Zeit geschrieben. Die darin entwickelten Grundsätze scheinen mir so merkwürdig, und sind gewiß so wenig bekannt, daß ich einiges daraus kurz anführen will. </p><lb/> <p>Consalvi berichtet von einer langen vertraulichen Unterredung, die er mit Hardenberg und Humboldt gehabt. Bei ihnen habe er die gröste Geneigtheit gefunden, den kirchlichen Ansprüchen des Papstes gerecht zu werden, insofern sie sich mit den weltlichen Forderungen der übrigen Mächte vertrügen. Die Herren hätten ihm eingestanden, daß das, was man jetzt in Wien feststelle, nur ein halbes Werk sei, das keine Aussicht auf Dauer habe: denn es sei nicht gelungen, die Interessen der Völker mit denen der Fürsten auf eine befriedigende Weise zu verbinden. Was aber ihn (Consalvi) am meisten für die Zukunft besorgt mache, sei der Umstand, das man es nicht werde vermeiden können, nach dem Beispiele Englands in den übrigen Ländern auch die Preßfreiheit einzuführen. Hierin </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0043]
der römischen Kirche im 19. Jahrhundert von Aufklärung die Rede sein kann. Consalvi hatte in den Jahren 1810 und 1811 mit Napoléon I. wegen eines Konkordates unterhandelt, und dabei nicht gewöhnliche diplomatische Talente entwickelt. Was irgend gegen den brutalen Eigenwillen des französischen Herrschers zu erreichen war, das hatte Consalvi erreicht. Dreimal hatte er den Entwurf des Konkordates zurückgezogen, ehe es in seiner endgültigen Fassung angenommen wurde. Auf dem Wiener Kongresse vertrat Consalvi die Interessen des Papstes. Hier kam er mit den bedeutendsten Diplomaten in Berührung, und hatte Gelegenheit, ihre Ansichten mit den seinigen zu vergleichen. Erst ganz kürzlich (im Frühjahr 1868) veröffentlichte ein römisches Journal Auszüge aus Consalvis Briefen, die er während jener Zeit geschrieben. Die darin entwickelten Grundsätze scheinen mir so merkwürdig, und sind gewiß so wenig bekannt, daß ich einiges daraus kurz anführen will.
Consalvi berichtet von einer langen vertraulichen Unterredung, die er mit Hardenberg und Humboldt gehabt. Bei ihnen habe er die gröste Geneigtheit gefunden, den kirchlichen Ansprüchen des Papstes gerecht zu werden, insofern sie sich mit den weltlichen Forderungen der übrigen Mächte vertrügen. Die Herren hätten ihm eingestanden, daß das, was man jetzt in Wien feststelle, nur ein halbes Werk sei, das keine Aussicht auf Dauer habe: denn es sei nicht gelungen, die Interessen der Völker mit denen der Fürsten auf eine befriedigende Weise zu verbinden. Was aber ihn (Consalvi) am meisten für die Zukunft besorgt mache, sei der Umstand, das man es nicht werde vermeiden können, nach dem Beispiele Englands in den übrigen Ländern auch die Preßfreiheit einzuführen. Hierin
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