Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].liege die gröste Gefahr für die Ruhe und den Frieden Europas. Den schlechten Leidenschaften werde es leicht gemacht, ihr Gift in die Herzen des Volkes zu ergießen, und man dürfe auf die traurigsten Folgen dieser Maasregel gefaßt sein. Wenn man solche Grundsätze im Jahre 1814 von dem gescheutesten Kardinale aussprechen hört, und wenn man bedenkt, daß nach ihm weit unbedeutendere Geister an der Spitze der römischen Verwaltung gestanden, so darf man sich nicht wundern, daß der Kirchenstaat jetzt (1868) auf der untersten Stufe des intellektuellen Lebens angelangt, nur noch als eine Anomalie, als ein politisches Curiosum durch den Eigensinn des französischen Kaisers aufrecht erhalten wird. Als eine weniger grelle Anomalie blieben auf dem Wiener Kongresse einige freie Reichstädte, Hamburg, Lübeck und Bremen stehn, die bei der veränderten Verfassung Deutschlands keine Bedeutung mehr hatten. Schon war ihre Mediatisirung beschlossen. Sie verdankten ihre Unabhängigkeit dem kühnen Vorgehen des Bremer Bürgermeisters Smidt. Er wußte es möglich zu machen, daß der Fürst Metternich eines Abends auf seinem Nachttische ein kurzes Memoire vorfand, worin die Sache der freien Städte so kräftig und präcis geführt war, daß der Staatskanzler seinen Sinn änderte und ihnen Autonomie gewährte. Ganz zuletzt sollen noch, auf Wilhelm von Humboldts Veranlassung, jene Paragraphen in die Wiener Kongreßakte gekommen sein, die den verschiedenen Ländern ständische Verfassung zusichern, die eine freie Schiffahrt auf den inländischen Flüssen, ein gleiches Münz- und Gewichtssyslem anstrebten. Metternich konnte nichts dagegen ein- liege die gröste Gefahr für die Ruhe und den Frieden Europas. Den schlechten Leidenschaften werde es leicht gemacht, ihr Gift in die Herzen des Volkes zu ergießen, und man dürfe auf die traurigsten Folgen dieser Maasregel gefaßt sein. Wenn man solche Grundsätze im Jahre 1814 von dem gescheutesten Kardinale aussprechen hört, und wenn man bedenkt, daß nach ihm weit unbedeutendere Geister an der Spitze der römischen Verwaltung gestanden, so darf man sich nicht wundern, daß der Kirchenstaat jetzt (1868) auf der untersten Stufe des intellektuellen Lebens angelangt, nur noch als eine Anomalie, als ein politisches Curiosum durch den Eigensinn des französischen Kaisers aufrecht erhalten wird. Als eine weniger grelle Anomalie blieben auf dem Wiener Kongresse einige freie Reichstädte, Hamburg, Lübeck und Bremen stehn, die bei der veränderten Verfassung Deutschlands keine Bedeutung mehr hatten. Schon war ihre Mediatisirung beschlossen. Sie verdankten ihre Unabhängigkeit dem kühnen Vorgehen des Bremer Bürgermeisters Smidt. Er wußte es möglich zu machen, daß der Fürst Metternich eines Abends auf seinem Nachttische ein kurzes Memoire vorfand, worin die Sache der freien Städte so kräftig und präcis geführt war, daß der Staatskanzler seinen Sinn änderte und ihnen Autonomie gewährte. Ganz zuletzt sollen noch, auf Wilhelm von Humboldts Veranlassung, jene Paragraphen in die Wiener Kongreßakte gekommen sein, die den verschiedenen Ländern ständische Verfassung zusichern, die eine freie Schiffahrt auf den inländischen Flüssen, ein gleiches Münz- und Gewichtssyslem anstrebten. Metternich konnte nichts dagegen ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="36"/> liege die gröste Gefahr für die Ruhe und den Frieden Europas. 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Er wußte es möglich zu machen, daß der Fürst Metternich eines Abends auf seinem Nachttische ein kurzes Memoire vorfand, worin die Sache der freien Städte so kräftig und präcis geführt war, daß der Staatskanzler seinen Sinn änderte und ihnen Autonomie gewährte. </p><lb/> <p>Ganz zuletzt sollen noch, auf Wilhelm von Humboldts Veranlassung, jene Paragraphen in die Wiener Kongreßakte gekommen sein, die den verschiedenen Ländern ständische Verfassung zusichern, die eine freie Schiffahrt auf den inländischen Flüssen, ein gleiches Münz- und Gewichtssyslem anstrebten. Metternich konnte nichts dagegen ein- </p> </div> </body> </text> </TEI> [36/0044]
liege die gröste Gefahr für die Ruhe und den Frieden Europas. Den schlechten Leidenschaften werde es leicht gemacht, ihr Gift in die Herzen des Volkes zu ergießen, und man dürfe auf die traurigsten Folgen dieser Maasregel gefaßt sein.
Wenn man solche Grundsätze im Jahre 1814 von dem gescheutesten Kardinale aussprechen hört, und wenn man bedenkt, daß nach ihm weit unbedeutendere Geister an der Spitze der römischen Verwaltung gestanden, so darf man sich nicht wundern, daß der Kirchenstaat jetzt (1868) auf der untersten Stufe des intellektuellen Lebens angelangt, nur noch als eine Anomalie, als ein politisches Curiosum durch den Eigensinn des französischen Kaisers aufrecht erhalten wird.
Als eine weniger grelle Anomalie blieben auf dem Wiener Kongresse einige freie Reichstädte, Hamburg, Lübeck und Bremen stehn, die bei der veränderten Verfassung Deutschlands keine Bedeutung mehr hatten. Schon war ihre Mediatisirung beschlossen. Sie verdankten ihre Unabhängigkeit dem kühnen Vorgehen des Bremer Bürgermeisters Smidt. Er wußte es möglich zu machen, daß der Fürst Metternich eines Abends auf seinem Nachttische ein kurzes Memoire vorfand, worin die Sache der freien Städte so kräftig und präcis geführt war, daß der Staatskanzler seinen Sinn änderte und ihnen Autonomie gewährte.
Ganz zuletzt sollen noch, auf Wilhelm von Humboldts Veranlassung, jene Paragraphen in die Wiener Kongreßakte gekommen sein, die den verschiedenen Ländern ständische Verfassung zusichern, die eine freie Schiffahrt auf den inländischen Flüssen, ein gleiches Münz- und Gewichtssyslem anstrebten. Metternich konnte nichts dagegen ein-
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