Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].nicht überall genau zusammenstießen, so hatte Schinkels kunstgeübte Hand einige Wolkenschraffirungen mit schwarzer Kreide angebracht, und so das Ganze vortrefflich in Harmonie gesetzt. Hier wurde uns nun die grandioseste Schöpfung der neueren Malerei unmittelbar vor Augen geführt; wir konnten recht nach Herzenslust uns dem Eindrucke des unvergleichlichen Werkes hingeben, und wenn es uns vergönnt war, an Schinkels Seite vor dem Bilde zu stehn, so verloren wir keines der goldnen Worte, die aus seinem Munde kamen. Fast unglaublich mußte es uns vorkommen, daß schon die untersten Figuren über lebensgroß seien, daß sie nach der Höhe immer zunehmen, und daß der richtende Christus 12 Fuß mißt. Als besonders ergreifend schilderte Schinkel den Anblick des rechts zur Hölle hinabgezogenen Verdammten, der das eine Auge mit der Hand bedeckt, und mit dem andern in todter Verzweiflung vor sich hinstarrt. Mit unwilligem Erstaunen hörten wir, daß der Gottesdienst in der sixtinischen Kapelle es nöthig gemacht, über der Mittelthür einen schweren damastnen Baldachin anzubringen, daß man zu diesem Zwecke starke eiserne Haken in das Bild eingeschlagen, und daß bei hohen Kirchenfesten die gewaltige Gruppe der zur Auferstehung posaunenden Engel fast immer verdeckt sei. Nicht vergessen habe ich die Bemerkung Schinkels, daß der Prophet Jonas, der gerade über dem jüngsten Gericht an der Decke der Kapelle erscheint, dem Bilde in so fern Eintrag thut, als er in einer Größe von 16 oder 20 Fuß ausgeführt, den richtenden Christus bei weitem überragt. Schinkel führte an, daß Michelangelo das Gericht ungefähr 20 Jahre später malte, als die Decke. Bei nicht überall genau zusammenstießen, so hatte Schinkels kunstgeübte Hand einige Wolkenschraffirungen mit schwarzer Kreide angebracht, und so das Ganze vortrefflich in Harmonie gesetzt. Hier wurde uns nun die grandioseste Schöpfung der neueren Malerei unmittelbar vor Augen geführt; wir konnten recht nach Herzenslust uns dem Eindrucke des unvergleichlichen Werkes hingeben, und wenn es uns vergönnt war, an Schinkels Seite vor dem Bilde zu stehn, so verloren wir keines der goldnen Worte, die aus seinem Munde kamen. Fast unglaublich mußte es uns vorkommen, daß schon die untersten Figuren über lebensgroß seien, daß sie nach der Höhe immer zunehmen, und daß der richtende Christus 12 Fuß mißt. Als besonders ergreifend schilderte Schinkel den Anblick des rechts zur Hölle hinabgezogenen Verdammten, der das eine Auge mit der Hand bedeckt, und mit dem andern in todter Verzweiflung vor sich hinstarrt. Mit unwilligem Erstaunen hörten wir, daß der Gottesdienst in der sixtinischen Kapelle es nöthig gemacht, über der Mittelthür einen schweren damastnen Baldachin anzubringen, daß man zu diesem Zwecke starke eiserne Haken in das Bild eingeschlagen, und daß bei hohen Kirchenfesten die gewaltige Gruppe der zur Auferstehung posaunenden Engel fast immer verdeckt sei. Nicht vergessen habe ich die Bemerkung Schinkels, daß der Prophet Jonas, der gerade über dem jüngsten Gericht an der Decke der Kapelle erscheint, dem Bilde in so fern Eintrag thut, als er in einer Größe von 16 oder 20 Fuß ausgeführt, den richtenden Christus bei weitem überragt. Schinkel führte an, daß Michelangelo das Gericht ungefähr 20 Jahre später malte, als die Decke. Bei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0081" n="73"/> nicht überall genau zusammenstießen, so hatte Schinkels kunstgeübte Hand einige Wolkenschraffirungen mit schwarzer Kreide angebracht, und so das Ganze vortrefflich in Harmonie gesetzt. </p><lb/> <p>Hier wurde uns nun die grandioseste Schöpfung der neueren Malerei unmittelbar vor Augen geführt; wir konnten recht nach Herzenslust uns dem Eindrucke des unvergleichlichen Werkes hingeben, und wenn es uns vergönnt war, an Schinkels Seite vor dem Bilde zu stehn, so verloren wir keines der goldnen Worte, die aus seinem Munde kamen. Fast unglaublich mußte es uns vorkommen, daß schon die untersten Figuren über lebensgroß seien, daß sie nach der Höhe immer zunehmen, und daß der richtende Christus 12 Fuß mißt. Als besonders ergreifend schilderte Schinkel den Anblick des rechts zur Hölle hinabgezogenen Verdammten, der das eine Auge mit der Hand bedeckt, und mit dem andern in todter Verzweiflung vor sich hinstarrt. Mit unwilligem Erstaunen hörten wir, daß der Gottesdienst in der sixtinischen Kapelle es nöthig gemacht, über der Mittelthür einen schweren damastnen Baldachin anzubringen, daß man zu diesem Zwecke starke eiserne Haken in das Bild eingeschlagen, und daß bei hohen Kirchenfesten die gewaltige Gruppe der zur Auferstehung posaunenden Engel fast immer verdeckt sei. </p><lb/> <p>Nicht vergessen habe ich die Bemerkung Schinkels, daß der Prophet Jonas, der gerade über dem jüngsten Gericht an der Decke der Kapelle erscheint, dem Bilde in so fern Eintrag thut, als er in einer Größe von 16 oder 20 Fuß ausgeführt, den richtenden Christus bei weitem überragt. Schinkel führte an, daß Michelangelo das Gericht ungefähr 20 Jahre später malte, als die Decke. Bei </p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0081]
nicht überall genau zusammenstießen, so hatte Schinkels kunstgeübte Hand einige Wolkenschraffirungen mit schwarzer Kreide angebracht, und so das Ganze vortrefflich in Harmonie gesetzt.
Hier wurde uns nun die grandioseste Schöpfung der neueren Malerei unmittelbar vor Augen geführt; wir konnten recht nach Herzenslust uns dem Eindrucke des unvergleichlichen Werkes hingeben, und wenn es uns vergönnt war, an Schinkels Seite vor dem Bilde zu stehn, so verloren wir keines der goldnen Worte, die aus seinem Munde kamen. Fast unglaublich mußte es uns vorkommen, daß schon die untersten Figuren über lebensgroß seien, daß sie nach der Höhe immer zunehmen, und daß der richtende Christus 12 Fuß mißt. Als besonders ergreifend schilderte Schinkel den Anblick des rechts zur Hölle hinabgezogenen Verdammten, der das eine Auge mit der Hand bedeckt, und mit dem andern in todter Verzweiflung vor sich hinstarrt. Mit unwilligem Erstaunen hörten wir, daß der Gottesdienst in der sixtinischen Kapelle es nöthig gemacht, über der Mittelthür einen schweren damastnen Baldachin anzubringen, daß man zu diesem Zwecke starke eiserne Haken in das Bild eingeschlagen, und daß bei hohen Kirchenfesten die gewaltige Gruppe der zur Auferstehung posaunenden Engel fast immer verdeckt sei.
Nicht vergessen habe ich die Bemerkung Schinkels, daß der Prophet Jonas, der gerade über dem jüngsten Gericht an der Decke der Kapelle erscheint, dem Bilde in so fern Eintrag thut, als er in einer Größe von 16 oder 20 Fuß ausgeführt, den richtenden Christus bei weitem überragt. Schinkel führte an, daß Michelangelo das Gericht ungefähr 20 Jahre später malte, als die Decke. Bei
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/81 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/81>, abgerufen am 16.02.2025. |