Physiologie würde nach unsern Begriffen zu enge sein, obgleich dieser Ausdruk bei den Alten einen umfassenderen Sinn hatte; ungefähr wie bei den Engländern noch jezt alle Ärzte Physiker heis- sen, und alle Physiker mit zu grosser Höflichkeit Naturphilo- sophen genant werden.
Den wahren Namen finden wir in einereinem postumen Werke von Kant (seiner physischen Geographie) wo er unsre Wissenschaft in der Einleitung: die Weltbeschreibung nent, indem sie in edie kosmischen und tellurischen Zustände auseinandersezen soll. Ich will hier zugleich auf das klassische Werk von Karl Ritter, seine vergleichende Erdbeschreibung aufmerksam machen, in der er sich bei den algemeinen Betrachtungen nicht nur zu der Höhe der höchsten Abstrakzionen erhebt, sondern auch im Einzelnen den Einflus der Erdoberfläche auf das Wohlsein und Schiksal der Völker überhaupt, auf vortreflich und befriedigend dar- gestelt hat.
Indem wir aber die Weltbeschreibung auf eine solche Höhe stellen, müssen wir nie ge vergessen, dass sie immer nur Mate- rialien zu einer eigentlichen Naturphilosophie liefert, in der auch die Naturbeschreibung, deren blezter Zweck ein vernunftmässiger Begriff der Natur ist, eine untergeordnete Stelle einnimt.
Physiologie würde nach unsern Begriffen zu enge sein, obgleich dieser Ausdruk bei den Alten einen umfassenderen Sinn hatte; ungefähr wie bei den Engländern noch jezt alle Ärzte Physiker heis- sen, und alle Physiker mit zu grosser Höflichkeit Naturphilo- sophen genant werden.
Den wahren Namen finden wir in einereinem postumen Werke von Kant (seiner physischen Geographie) wo er unsre Wissenschaft in der Einleitung: die Weltbeschreibung nent, indem sie in edie kosmischen und tellurischen Zustände auseinandersezen soll. Ich will hier zugleich auf das klassische Werk von Karl Ritter, seine vergleichende Erdbeschreibung aufmerksam machen, in der er sich bei den algemeinen Betrachtungen nicht nur zu der Höhe der höchsten Abstrakzionen erhebt, sondern auch im Einzelnen den Einflus der Erdoberfläche auf das Wohlsein und Schiksal der Völker überhaupt, auf vortreflich und befriedigend dar- gestelt hat.
Indem wir aber die Weltbeschreibung auf eine solche Höhe stellen, müssen wir nie ge vergessen, dass sie immer nur Mate- rialien zu einer eigentlichen Naturphilosophie liefert, in der ⎡auch die Naturbeschreibung, deren blezter Zweck ein vernunftmässiger Begriff der Natur ist, eine untergeordnete Stelle einnimt.
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[26v/0056]
Physiologie würde nach unsern Begriffen zu enge sein, obgleich
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sen, und alle Physiker mit zu grosser Höflichkeit Naturphilo-
sophen genant werden.
Den wahren Namen finden wir in einem postumen Werke
von Kant (seiner physischen Geographie) wo er unsre Wissenschaft
in der Einleitung: die Weltbeschreibung nent, indem sie die
kosmischen und tellurischen Zustände auseinandersezen soll.
Ich will hier zugleich auf das klassische Werk von Karl Ritter,
seine vergleichende Erdbeschreibung aufmerksam machen, in der
er sich bei den algemeinen Betrachtungen nicht nur zu der Höhe
der höchsten Abstrakzionen erhebt, sondern auch im Einzelnen
den Einflus der Erdoberfläche auf das Wohlsein und Schiksal
der Völker überhaupt, vortreflich und befriedigend dar-
gestelt hat.
Indem wir aber die Weltbeschreibung auf eine solche Höhe
stellen, müssen wir nie vergessen, dass sie immer nur Mate-
rialien zu einer eigentlichen Naturphilosophie liefert, in der auch die
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der Natur ist, eine untergeordnete Stelle einnimt.
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Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 26v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/56>, abgerufen am 23.11.2024.
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