Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

dem arabischen Texte: ""ein prächtiges königli¬
ches Strumpfband."" -- Darüber, über den
Text und Uebersezer der Strümpfe, fuhr das Mäd¬
chen in ein freies Gelächter aus; aber Vater und
Sohn nikten ehrerbietig.

Unmittelbar nachdem Walt aus der durch¬
löcherten Fischwage des Examens blöde und stumm
gestiegen war, gieng der Pfalzgraf ans Kreiren.
Er sprach mit der Pfeife und auf dem Sessel Wal¬
ten den NotariatsEid auswendig zum Erstaunen
aller vor; und Walt sagte ihn mit gerührter
Stimme nach. Der Vater nahm die Müze ab;
Goldine hielt ihre Strumpfwirkerei innen. Der
erste Eid macht den Menschen ernst; denn der
Meineid ist die Sünde gegen den h. Geist, weil
er mit der höchsten Besonnenheit und Frechheit
ganz dicht vor dem Throne des moralischen Gese¬
zes begangen wird.

Jezt wurde der Notarius bis auf das lezte
Glied, auf die Fersen gar ausgeschaffen. Dinte,
Feder und Papier wurden ihm von Knolen --
überreicht und dabei gesagt, man investire ihn
hiemit. Ein goldner Ring wurde seinem Finger

dem arabiſchen Texte: „„ein praͤchtiges koͤnigli¬
ches Strumpfband.““ — Daruͤber, uͤber den
Text und Ueberſezer der Struͤmpfe, fuhr das Maͤd¬
chen in ein freies Gelaͤchter aus; aber Vater und
Sohn nikten ehrerbietig.

Unmittelbar nachdem Walt aus der durch¬
loͤcherten Fiſchwage des Examens bloͤde und ſtumm
geſtiegen war, gieng der Pfalzgraf ans Kreiren.
Er ſprach mit der Pfeife und auf dem Seſſel Wal¬
ten den NotariatsEid auswendig zum Erſtaunen
aller vor; und Walt ſagte ihn mit geruͤhrter
Stimme nach. Der Vater nahm die Muͤze ab;
Goldine hielt ihre Strumpfwirkerei innen. Der
erſte Eid macht den Menſchen ernſt; denn der
Meineid iſt die Suͤnde gegen den h. Geiſt, weil
er mit der hoͤchſten Beſonnenheit und Frechheit
ganz dicht vor dem Throne des moraliſchen Geſe¬
zes begangen wird.

Jezt wurde der Notarius bis auf das lezte
Glied, auf die Ferſen gar ausgeſchaffen. Dinte,
Feder und Papier wurden ihm von Knolen —
uͤberreicht und dabei geſagt, man inveſtire ihn
hiemit. Ein goldner Ring wurde ſeinem Finger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="95"/>
dem arabi&#x017F;chen Texte: &#x201E;&#x201E;ein pra&#x0364;chtiges ko&#x0364;nigli¬<lb/>
ches Strumpfband.&#x201C;&#x201C; &#x2014; Daru&#x0364;ber, u&#x0364;ber den<lb/>
Text und Ueber&#x017F;ezer der Stru&#x0364;mpfe, fuhr das Ma&#x0364;<lb/>
chen in ein freies Gela&#x0364;chter aus; aber Vater und<lb/>
Sohn nikten ehrerbietig.</p><lb/>
        <p>Unmittelbar nachdem Walt aus der durch¬<lb/>
lo&#x0364;cherten Fi&#x017F;chwage des Examens blo&#x0364;de und &#x017F;tumm<lb/>
ge&#x017F;tiegen war, gieng der Pfalzgraf ans Kreiren.<lb/>
Er &#x017F;prach mit der Pfeife und auf dem Se&#x017F;&#x017F;el Wal¬<lb/>
ten den NotariatsEid auswendig zum Er&#x017F;taunen<lb/>
aller vor; und Walt &#x017F;agte ihn mit geru&#x0364;hrter<lb/>
Stimme nach. Der Vater nahm die Mu&#x0364;ze ab;<lb/>
Goldine hielt ihre Strumpfwirkerei innen. Der<lb/>
er&#x017F;te Eid macht den Men&#x017F;chen ern&#x017F;t; denn der<lb/>
Meineid i&#x017F;t die Su&#x0364;nde gegen den h. Gei&#x017F;t, weil<lb/>
er mit der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Be&#x017F;onnenheit und Frechheit<lb/>
ganz dicht vor dem Throne des morali&#x017F;chen Ge&#x017F;<lb/>
zes begangen wird.</p><lb/>
        <p>Jezt wurde der Notarius bis auf das lezte<lb/>
Glied, auf die Fer&#x017F;en gar ausge&#x017F;chaffen. Dinte,<lb/>
Feder und Papier wurden ihm von Knolen &#x2014;<lb/>
u&#x0364;berreicht und dabei ge&#x017F;agt, man inve&#x017F;tire ihn<lb/>
hiemit. Ein goldner Ring wurde &#x017F;einem Finger<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0105] dem arabiſchen Texte: „„ein praͤchtiges koͤnigli¬ ches Strumpfband.““ — Daruͤber, uͤber den Text und Ueberſezer der Struͤmpfe, fuhr das Maͤd¬ chen in ein freies Gelaͤchter aus; aber Vater und Sohn nikten ehrerbietig. Unmittelbar nachdem Walt aus der durch¬ loͤcherten Fiſchwage des Examens bloͤde und ſtumm geſtiegen war, gieng der Pfalzgraf ans Kreiren. Er ſprach mit der Pfeife und auf dem Seſſel Wal¬ ten den NotariatsEid auswendig zum Erſtaunen aller vor; und Walt ſagte ihn mit geruͤhrter Stimme nach. Der Vater nahm die Muͤze ab; Goldine hielt ihre Strumpfwirkerei innen. Der erſte Eid macht den Menſchen ernſt; denn der Meineid iſt die Suͤnde gegen den h. Geiſt, weil er mit der hoͤchſten Beſonnenheit und Frechheit ganz dicht vor dem Throne des moraliſchen Geſe¬ zes begangen wird. Jezt wurde der Notarius bis auf das lezte Glied, auf die Ferſen gar ausgeſchaffen. Dinte, Feder und Papier wurden ihm von Knolen — uͤberreicht und dabei geſagt, man inveſtire ihn hiemit. Ein goldner Ring wurde ſeinem Finger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/105
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/105>, abgerufen am 24.11.2024.