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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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oft ihr Gemüth durch ähnliche Sagen von ihres
guten Kindes Wiederkunft betrogen worden, flüch¬
tig unter die Männer, um sich blos mit dem
verdrüslichen Fiskale abzugeben, welchem sie
freundlich alle bösen Klauseln des Testaments
deutlich abfragte. Den Pfalzgrafen aber verdros
das von seiner Erbporzion bestrittene Freudenfest
am Ende dermassen, daß er hastig aufstand, die
Zitazionsgebühren im Namen des Rathsdieners
forderte, und den männlichen Jubelköpfen die
Hofnung aufsagte, ihn am Abendtische unter sich
zu haben, weil er lieber, gab er vor, bei dem
Wirthe drüben speise, der schon seinem Vater
ein Darlehn schuldig sei, wovon er seit so vielen
Jahren, so oft er Gericht halte, etwas abesse
und abtrinke, um zu dem Seinigen zu kommen.

Als er fort war, stieg Veronika auf ihre
weibliche Kanzel, und hielt ihre Brandpredigten
und Inspekzionsreden an die Männer: sie müsten's
haben, wenn der Fiskal ihnen das Kapital auf¬
kündigte; ihr Frohthun habe ihn als einen aus¬
geschlossenen Erben ja verschnupfen müssen. --
"Zieht denn aber Er oder ich die Interessen für

oft ihr Gemuͤth durch aͤhnliche Sagen von ihres
guten Kindes Wiederkunft betrogen worden, fluͤch¬
tig unter die Maͤnner, um ſich blos mit dem
verdruͤslichen Fiſkale abzugeben, welchem ſie
freundlich alle boͤſen Klauſeln des Teſtaments
deutlich abfragte. Den Pfalzgrafen aber verdros
das von ſeiner Erbporzion beſtrittene Freudenfeſt
am Ende dermaſſen, daß er haſtig aufſtand, die
Zitazionsgebuͤhren im Namen des Rathsdieners
forderte, und den maͤnnlichen Jubelkoͤpfen die
Hofnung aufſagte, ihn am Abendtiſche unter ſich
zu haben, weil er lieber, gab er vor, bei dem
Wirthe druͤben ſpeiſe, der ſchon ſeinem Vater
ein Darlehn ſchuldig ſei, wovon er ſeit ſo vielen
Jahren, ſo oft er Gericht halte, etwas abeſſe
und abtrinke, um zu dem Seinigen zu kommen.

Als er fort war, ſtieg Veronika auf ihre
weibliche Kanzel, und hielt ihre Brandpredigten
und Inſpekzionsreden an die Maͤnner: ſie muͤſten's
haben, wenn der Fiſkal ihnen das Kapital auf¬
kuͤndigte; ihr Frohthun habe ihn als einen aus¬
geſchloſſenen Erben ja verſchnupfen muͤſſen. —
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[122/0132] oft ihr Gemuͤth durch aͤhnliche Sagen von ihres guten Kindes Wiederkunft betrogen worden, fluͤch¬ tig unter die Maͤnner, um ſich blos mit dem verdruͤslichen Fiſkale abzugeben, welchem ſie freundlich alle boͤſen Klauſeln des Teſtaments deutlich abfragte. Den Pfalzgrafen aber verdros das von ſeiner Erbporzion beſtrittene Freudenfeſt am Ende dermaſſen, daß er haſtig aufſtand, die Zitazionsgebuͤhren im Namen des Rathsdieners forderte, und den maͤnnlichen Jubelkoͤpfen die Hofnung aufſagte, ihn am Abendtiſche unter ſich zu haben, weil er lieber, gab er vor, bei dem Wirthe druͤben ſpeiſe, der ſchon ſeinem Vater ein Darlehn ſchuldig ſei, wovon er ſeit ſo vielen Jahren, ſo oft er Gericht halte, etwas abeſſe und abtrinke, um zu dem Seinigen zu kommen. Als er fort war, ſtieg Veronika auf ihre weibliche Kanzel, und hielt ihre Brandpredigten und Inſpekzionsreden an die Maͤnner: ſie muͤſten's haben, wenn der Fiſkal ihnen das Kapital auf¬ kuͤndigte; ihr Frohthun habe ihn als einen aus¬ geſchloſſenen Erben ja verſchnupfen muͤſſen. — „Zieht denn aber Er oder ich die Intereſſen fuͤr

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/132>, abgerufen am 24.11.2024.