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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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und trommelte, und der Nikolaithurm warf dazu
seine Blasemusik in die unters hinein, die mit ihr
im verbotenen Grade der Sekunde verwandt wur¬
de. Draussen vor dem Thore hörte er, daß das
magische wie von Fernen kommende Freudenge¬
schrei in seinem Innern von einem schwarzen flie¬
genden Corps oder Chor Kurrentschüler ausge¬
sprochen wurde, das in der Vorstadt fugierte und
schrie. Herrlich wiegte sich in bunter Fülle der
van der Kabelsche Garten vor ihm, den er ein¬
mal erben konnte, wenn ers recht anfieng und
recht ausmachte; er gieng aber verschämt nicht
hinein, weil Menschen darin sassen, sondern er¬
stieg das nahe Kabelsche Wäldgen auf dem Hü¬
gel.

Darinn sas er denn entzükt auf Glanz und
Thau, und sah gen Himmel und über die Erde.
Allmählig sank er ins Vorträumen hinein --
was so verschieden vom engern Nachträumen
ist, da die Wirklichkeit dieses einzäunt, indeß
der Spielplaz der Möglichkeit jenem frei liegt.
Auf diesem heitern Spielplaze beschlos er das
grosse Götterbild eines Freundes aufzurichten und

Flegeljahre I. Bd. 14

und trommelte, und der Nikolaithurm warf dazu
ſeine Blaſemuſik in die unters hinein, die mit ihr
im verbotenen Grade der Sekunde verwandt wur¬
de. Drauſſen vor dem Thore hoͤrte er, daß das
magiſche wie von Fernen kommende Freudenge¬
ſchrei in ſeinem Innern von einem ſchwarzen flie¬
genden Corps oder Chor Kurrentſchuͤler ausge¬
ſprochen wurde, das in der Vorſtadt fugierte und
ſchrie. Herrlich wiegte ſich in bunter Fuͤlle der
van der Kabelſche Garten vor ihm, den er ein¬
mal erben konnte, wenn ers recht anfieng und
recht ausmachte; er gieng aber verſchaͤmt nicht
hinein, weil Menſchen darin ſaſſen, ſondern er¬
ſtieg das nahe Kabelſche Waͤldgen auf dem Huͤ¬
gel.

Darinn ſas er denn entzuͤkt auf Glanz und
Thau, und ſah gen Himmel und uͤber die Erde.
Allmaͤhlig ſank er ins Vortraͤumen hinein —
was ſo verſchieden vom engern Nachtraͤumen
iſt, da die Wirklichkeit dieſes einzaͤunt, indeß
der Spielplaz der Moͤglichkeit jenem frei liegt.
Auf dieſem heitern Spielplaze beſchlos er das
groſſe Goͤtterbild eines Freundes aufzurichten und

Flegeljahre I. Bd. 14
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[209/0219] und trommelte, und der Nikolaithurm warf dazu ſeine Blaſemuſik in die unters hinein, die mit ihr im verbotenen Grade der Sekunde verwandt wur¬ de. Drauſſen vor dem Thore hoͤrte er, daß das magiſche wie von Fernen kommende Freudenge¬ ſchrei in ſeinem Innern von einem ſchwarzen flie¬ genden Corps oder Chor Kurrentſchuͤler ausge¬ ſprochen wurde, das in der Vorſtadt fugierte und ſchrie. Herrlich wiegte ſich in bunter Fuͤlle der van der Kabelſche Garten vor ihm, den er ein¬ mal erben konnte, wenn ers recht anfieng und recht ausmachte; er gieng aber verſchaͤmt nicht hinein, weil Menſchen darin ſaſſen, ſondern er¬ ſtieg das nahe Kabelſche Waͤldgen auf dem Huͤ¬ gel. Darinn ſas er denn entzuͤkt auf Glanz und Thau, und ſah gen Himmel und uͤber die Erde. Allmaͤhlig ſank er ins Vortraͤumen hinein — was ſo verſchieden vom engern Nachtraͤumen iſt, da die Wirklichkeit dieſes einzaͤunt, indeß der Spielplaz der Moͤglichkeit jenem frei liegt. Auf dieſem heitern Spielplaze beſchlos er das groſſe Goͤtterbild eines Freundes aufzurichten und Flegeljahre I. Bd. 14

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/219>, abgerufen am 25.11.2024.