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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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Bald wurde deutlich, daß wissenschaftliche
Fächer künftig Gottwalt's Fach seyn würden; oh¬
ne alle elterliche Vorliebe war leicht zu bemerken,
daß er weislockig, dünnarmig, zartstämmig und,
wenn er einen ganzen Sommer Schafhirtlein ge¬
wesen, noch schnee- lilienweis in solchem
Grade war, daß der Vater sagte: einen Stiefel
woll' er mit einem EiweisHäutgen, statt Pfund¬
leder ebenso gut besohlen als den Jungen zum
Bauersmann einrichten. "Dabei hatte der Kna¬
be ein so gläubiges, verschämtes, überzartes,
frommes, gelehriges, träumerisches Wesen, und
war zugleich bis zum Lächerlichen so eckig und
elastisch-aufspringend, daß zum Verdrusse des
Vaters -- der sich einen Juristen nachziehen woll¬
te -- jedermann im Dorfe, selber der Pfarrer,
sagte, er müße, wie Zäsar, der erste im Dorfe
werden, nähmlich der Pfarrer. Denn wie? --
fragte man -- Gottwalt, der blauäugige Blon¬
din mit aschgrauem Haar und feiner Schneehaut,
-- wie? dieser soll einmal ein Kriminalist werden
und unter dem großen Triumphator Carpzov die¬
nen, welcher blos mit seinem Federmesser, wozu

Bald wurde deutlich, daß wiſſenſchaftliche
Faͤcher kuͤnftig Gottwalt's Fach ſeyn wuͤrden; oh¬
ne alle elterliche Vorliebe war leicht zu bemerken,
daß er weislockig, duͤnnarmig, zartſtaͤmmig und,
wenn er einen ganzen Sommer Schafhirtlein ge¬
weſen, noch ſchnee- lilienweis in ſolchem
Grade war, daß der Vater ſagte: einen Stiefel
woll' er mit einem EiweisHaͤutgen, ſtatt Pfund¬
leder ebenſo gut beſohlen als den Jungen zum
Bauersmann einrichten. „Dabei hatte der Kna¬
be ein ſo glaͤubiges, verſchaͤmtes, uͤberzartes,
frommes, gelehriges, traͤumeriſches Weſen, und
war zugleich bis zum Laͤcherlichen ſo eckig und
elaſtiſch-aufſpringend, daß zum Verdruſſe des
Vaters — der ſich einen Juriſten nachziehen woll¬
te — jedermann im Dorfe, ſelber der Pfarrer,
ſagte, er muͤße, wie Zaͤſar, der erſte im Dorfe
werden, naͤhmlich der Pfarrer. Denn wie? —
fragte man — Gottwalt, der blauaͤugige Blon¬
din mit aſchgrauem Haar und feiner Schneehaut,
— wie? dieſer ſoll einmal ein Kriminaliſt werden
und unter dem großen Triumphator Carpzov die¬
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[60/0070] Bald wurde deutlich, daß wiſſenſchaftliche Faͤcher kuͤnftig Gottwalt's Fach ſeyn wuͤrden; oh¬ ne alle elterliche Vorliebe war leicht zu bemerken, daß er weislockig, duͤnnarmig, zartſtaͤmmig und, wenn er einen ganzen Sommer Schafhirtlein ge¬ weſen, noch ſchnee- lilienweis in ſolchem Grade war, daß der Vater ſagte: einen Stiefel woll' er mit einem EiweisHaͤutgen, ſtatt Pfund¬ leder ebenſo gut beſohlen als den Jungen zum Bauersmann einrichten. „Dabei hatte der Kna¬ be ein ſo glaͤubiges, verſchaͤmtes, uͤberzartes, frommes, gelehriges, traͤumeriſches Weſen, und war zugleich bis zum Laͤcherlichen ſo eckig und elaſtiſch-aufſpringend, daß zum Verdruſſe des Vaters — der ſich einen Juriſten nachziehen woll¬ te — jedermann im Dorfe, ſelber der Pfarrer, ſagte, er muͤße, wie Zaͤſar, der erſte im Dorfe werden, naͤhmlich der Pfarrer. Denn wie? — fragte man — Gottwalt, der blauaͤugige Blon¬ din mit aſchgrauem Haar und feiner Schneehaut, — wie? dieſer ſoll einmal ein Kriminaliſt werden und unter dem großen Triumphator Carpzov die¬ nen, welcher blos mit ſeinem Federmeſſer, wozu

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/70>, abgerufen am 24.11.2024.