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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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aber höre mich an: das erstemal, wo du pre¬
digst, so thue ich meinen Trauerrok an, und die
weissen Tücher um, und gehe in die Kirche, und
bücke mich unter der ganzen Predigt wie bei einer
Leichenpredigt mit dem Kopfe nieder und weine,
und wenn mich die Weiber fragen, so zeig' ich
auf dich." -- Dieses Bild pakte seine Phanta¬
sie so gewaltsam an, daß er weinend Nein Nein
schrie -- womit er Trauer-Verhüllen mein¬
te -- und Ja Ja zum Advozieren sagte.

So werden uns die LebensBahnen, wie die
Ideen, vom Zufall angewiesen; nur das Fort-
und Absezen der einen wie der andern, bleibt der
Willkür freigestellt.

Walt erlernte nun, wie Völker, Sprachen
fast von selber. Er warf dadurch den Vater in
ein FreudenMeer; denn Dorfleute finden, wie
die Schulleute, fast blos auf der Zunge den Un¬
terschied des Lehr- und des Nährstandes. Der
ErMäuerer bauete daher in einem trocknen Früh¬
jahr ohne allen Widerspruch des todten Dachs¬
hundes und des Gewerks ein eignes Studierstüb¬
gen für seinen Iktus. Dieser frequentierte das

aber hoͤre mich an: das erſtemal, wo du pre¬
digſt, ſo thue ich meinen Trauerrok an, und die
weiſſen Tuͤcher um, und gehe in die Kirche, und
buͤcke mich unter der ganzen Predigt wie bei einer
Leichenpredigt mit dem Kopfe nieder und weine,
und wenn mich die Weiber fragen, ſo zeig' ich
auf dich.“ — Dieſes Bild pakte ſeine Phanta¬
ſie ſo gewaltſam an, daß er weinend Nein Nein
ſchrie — womit er Trauer-Verhuͤllen mein¬
te — und Ja Ja zum Advozieren ſagte.

So werden uns die LebensBahnen, wie die
Ideen, vom Zufall angewieſen; nur das Fort-
und Abſezen der einen wie der andern, bleibt der
Willkuͤr freigeſtellt.

Walt erlernte nun, wie Voͤlker, Sprachen
faſt von ſelber. Er warf dadurch den Vater in
ein FreudenMeer; denn Dorfleute finden, wie
die Schulleute, faſt blos auf der Zunge den Un¬
terſchied des Lehr- und des Naͤhrſtandes. Der
ErMaͤuerer bauete daher in einem trocknen Fruͤh¬
jahr ohne allen Widerſpruch des todten Dachs¬
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[67/0077] aber hoͤre mich an: das erſtemal, wo du pre¬ digſt, ſo thue ich meinen Trauerrok an, und die weiſſen Tuͤcher um, und gehe in die Kirche, und buͤcke mich unter der ganzen Predigt wie bei einer Leichenpredigt mit dem Kopfe nieder und weine, und wenn mich die Weiber fragen, ſo zeig' ich auf dich.“ — Dieſes Bild pakte ſeine Phanta¬ ſie ſo gewaltſam an, daß er weinend Nein Nein ſchrie — womit er Trauer-Verhuͤllen mein¬ te — und Ja Ja zum Advozieren ſagte. So werden uns die LebensBahnen, wie die Ideen, vom Zufall angewieſen; nur das Fort- und Abſezen der einen wie der andern, bleibt der Willkuͤr freigeſtellt. Walt erlernte nun, wie Voͤlker, Sprachen faſt von ſelber. Er warf dadurch den Vater in ein FreudenMeer; denn Dorfleute finden, wie die Schulleute, faſt blos auf der Zunge den Un¬ terſchied des Lehr- und des Naͤhrſtandes. Der ErMaͤuerer bauete daher in einem trocknen Fruͤh¬ jahr ohne allen Widerſpruch des todten Dachs¬ hundes und des Gewerks ein eignes Studierſtuͤb¬ gen fuͤr ſeinen Iktus. Dieſer frequentierte das

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/77>, abgerufen am 21.11.2024.