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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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nur ernsthaft an -- aus den Schornsteinen des
Schlosses und Pfarrhauses und des väterlichen
hoben sich vergoldete Rauchsäulen ins windstille
kühle Blau --

Und so kam Vult ins überschattete Elterlein
hinab, wo er das närrische verhüllte träumende
Ding, das bekannte Leben, den langen Traum,
angehoben und wo er im Bette zu diesem Traum,
weil er erst ein kurzer Knabe war, sich noch nicht
hatte zu krümmen gebraucht.

Im Dorfe war das Alte das Alte. Das
große Haus der Eltern stand jenseits des Bachs
unverändert mit der weissen Jahrszahl 1784 auf
dem DachSchiefer da. -- Er lehnte sich mit dem
Flötenliede: "wer nur den lieben Gott läßt wal¬
ten" an den glatten Maienbaum und blies ins
Gebetläuten hinein. Der Vater gieng, sehr lang¬
sam unter dem Scheine des Umsehens, über den
Bachsteg in sein Haus und henkte die Sense an
den hölzernen Pflok an der Treppe. Die rüstige
Mutter trat aus der Thüre in einem Manns-
Wamse, und schüttete, ohne aufs Flöten zu hö¬
ren, das abgeblattete Unkraut des Salats aus

Flegeljahre I. Bd. 6

nur ernſthaft an — aus den Schornſteinen des
Schloſſes und Pfarrhauſes und des vaͤterlichen
hoben ſich vergoldete Rauchſaͤulen ins windſtille
kuͤhle Blau —

Und ſo kam Vult ins uͤberſchattete Elterlein
hinab, wo er das naͤrriſche verhuͤllte traͤumende
Ding, das bekannte Leben, den langen Traum,
angehoben und wo er im Bette zu dieſem Traum,
weil er erſt ein kurzer Knabe war, ſich noch nicht
hatte zu kruͤmmen gebraucht.

Im Dorfe war das Alte das Alte. Das
große Haus der Eltern ſtand jenſeits des Bachs
unveraͤndert mit der weiſſen Jahrszahl 1784 auf
dem DachSchiefer da. — Er lehnte ſich mit dem
Floͤtenliede: „wer nur den lieben Gott laͤßt wal¬
ten” an den glatten Maienbaum und blies ins
Gebetlaͤuten hinein. Der Vater gieng, ſehr lang¬
ſam unter dem Scheine des Umſehens, uͤber den
Bachſteg in ſein Haus und henkte die Senſe an
den hoͤlzernen Pflok an der Treppe. Die ruͤſtige
Mutter trat aus der Thuͤre in einem Manns-
Wamſe, und ſchuͤttete, ohne aufs Floͤten zu hoͤ¬
ren, das abgeblattete Unkraut des Salats aus

Flegeljahre I. Bd. 6
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[81/0091] nur ernſthaft an — aus den Schornſteinen des Schloſſes und Pfarrhauſes und des vaͤterlichen hoben ſich vergoldete Rauchſaͤulen ins windſtille kuͤhle Blau — Und ſo kam Vult ins uͤberſchattete Elterlein hinab, wo er das naͤrriſche verhuͤllte traͤumende Ding, das bekannte Leben, den langen Traum, angehoben und wo er im Bette zu dieſem Traum, weil er erſt ein kurzer Knabe war, ſich noch nicht hatte zu kruͤmmen gebraucht. Im Dorfe war das Alte das Alte. Das große Haus der Eltern ſtand jenſeits des Bachs unveraͤndert mit der weiſſen Jahrszahl 1784 auf dem DachSchiefer da. — Er lehnte ſich mit dem Floͤtenliede: „wer nur den lieben Gott laͤßt wal¬ ten” an den glatten Maienbaum und blies ins Gebetlaͤuten hinein. Der Vater gieng, ſehr lang¬ ſam unter dem Scheine des Umſehens, uͤber den Bachſteg in ſein Haus und henkte die Senſe an den hoͤlzernen Pflok an der Treppe. Die ruͤſtige Mutter trat aus der Thuͤre in einem Manns- Wamſe, und ſchuͤttete, ohne aufs Floͤten zu hoͤ¬ ren, das abgeblattete Unkraut des Salats aus Flegeljahre I. Bd. 6

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/91>, abgerufen am 21.11.2024.