Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

legte nichts. Blos Walt bemerkte: "am Ende
werde doch jeder Garten, sei er noch so groß,
kurz jede künstliche Eingränzung klein und ein
Kindergärtgen in der unermeßlichen Natur; nur
das Herz baue den Garten, der noch zehnmal
kleiner sein könne als dieser."

Darauf fragte der Kaufmann den Grafen,
warum er nicht aufgucke, z. B. an die Bäume,
wo manches hänge. Dieser sah auf; weisse
Zolltafeln der Empfindung waren von Raphae¬
len daran geschlagen zum Ueberlesen: "bei Gott,
meine Tochter hat sie ohne fremde Hülfe erson¬
nen, sagte der Vater, und sie sind sehr neu und
hochtragend geschrieben, so glaub' ich." Der
Graf stand vor den nächsten Gefühls-Brettern,
und Herz-Blättern poetischer Blumen fest; auch
der Notar las den an die Welt wie an Arznei-
Gläsgen gebundnen Gebrauchzettel herab, wel¬
cher verordnete, wie man schöne Natur einzu¬
nehmen habe, in welchen Löffeln und Stunden.
Walten gefiel die Gefühls-Anstalt, es waren
doch Antritts- oder Oster-Programmen der Früh¬
lings-Natur, Frachtbriefe der Jahrs-Zeiten,

legte nichts. Blos Walt bemerkte: „am Ende
werde doch jeder Garten, ſei er noch ſo groß,
kurz jede kuͤnſtliche Eingraͤnzung klein und ein
Kindergaͤrtgen in der unermeßlichen Natur; nur
das Herz baue den Garten, der noch zehnmal
kleiner ſein koͤnne als dieſer.“

Darauf fragte der Kaufmann den Grafen,
warum er nicht aufgucke, z. B. an die Baͤume,
wo manches haͤnge. Dieſer ſah auf; weiſſe
Zolltafeln der Empfindung waren von Raphae¬
len daran geſchlagen zum Ueberleſen: „bei Gott,
meine Tochter hat ſie ohne fremde Huͤlfe erſon¬
nen, ſagte der Vater, und ſie ſind ſehr neu und
hochtragend geſchrieben, ſo glaub' ich.“ Der
Graf ſtand vor den naͤchſten Gefuͤhls-Brettern,
und Herz-Blaͤttern poetiſcher Blumen feſt; auch
der Notar las den an die Welt wie an Arznei-
Glaͤsgen gebundnen Gebrauchzettel herab, wel¬
cher verordnete, wie man ſchoͤne Natur einzu¬
nehmen habe, in welchen Loͤffeln und Stunden.
Walten gefiel die Gefuͤhls-Anſtalt, es waren
doch Antritts- oder Oſter-Programmen der Fruͤh¬
lings-Natur, Frachtbriefe der Jahrs-Zeiten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="95"/>
legte nichts. Blos Walt bemerkte: &#x201E;am Ende<lb/>
werde doch jeder Garten, &#x017F;ei er noch &#x017F;o groß,<lb/>
kurz jede ku&#x0364;n&#x017F;tliche Eingra&#x0364;nzung klein und ein<lb/>
Kinderga&#x0364;rtgen in der unermeßlichen Natur; nur<lb/>
das Herz baue den Garten, der noch zehnmal<lb/>
kleiner &#x017F;ein ko&#x0364;nne als die&#x017F;er.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Darauf fragte der Kaufmann den Grafen,<lb/>
warum er nicht aufgucke, z. B. an die Ba&#x0364;ume,<lb/>
wo manches ha&#x0364;nge. Die&#x017F;er &#x017F;ah auf; wei&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Zolltafeln der Empfindung waren von Raphae¬<lb/>
len daran ge&#x017F;chlagen zum Ueberle&#x017F;en: &#x201E;bei Gott,<lb/>
meine Tochter hat &#x017F;ie ohne fremde Hu&#x0364;lfe er&#x017F;on¬<lb/>
nen, &#x017F;agte der Vater, und &#x017F;ie &#x017F;ind &#x017F;ehr neu und<lb/>
hochtragend ge&#x017F;chrieben, &#x017F;o glaub' ich.&#x201C; Der<lb/>
Graf &#x017F;tand vor den na&#x0364;ch&#x017F;ten Gefu&#x0364;hls-Brettern,<lb/>
und <hi rendition="#g">Herz</hi>-Bla&#x0364;ttern poeti&#x017F;cher Blumen fe&#x017F;t; auch<lb/>
der Notar las den an die Welt wie an Arznei-<lb/>
Gla&#x0364;sgen gebundnen Gebrauchzettel herab, wel¬<lb/>
cher verordnete, wie man &#x017F;cho&#x0364;ne Natur einzu¬<lb/>
nehmen habe, in welchen Lo&#x0364;ffeln und Stunden.<lb/>
Walten gefiel die Gefu&#x0364;hls-An&#x017F;talt, es waren<lb/>
doch Antritts- oder O&#x017F;ter-Programmen der Fru&#x0364;<lb/>
lings-Natur, Frachtbriefe der Jahrs-Zeiten,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0103] legte nichts. Blos Walt bemerkte: „am Ende werde doch jeder Garten, ſei er noch ſo groß, kurz jede kuͤnſtliche Eingraͤnzung klein und ein Kindergaͤrtgen in der unermeßlichen Natur; nur das Herz baue den Garten, der noch zehnmal kleiner ſein koͤnne als dieſer.“ Darauf fragte der Kaufmann den Grafen, warum er nicht aufgucke, z. B. an die Baͤume, wo manches haͤnge. Dieſer ſah auf; weiſſe Zolltafeln der Empfindung waren von Raphae¬ len daran geſchlagen zum Ueberleſen: „bei Gott, meine Tochter hat ſie ohne fremde Huͤlfe erſon¬ nen, ſagte der Vater, und ſie ſind ſehr neu und hochtragend geſchrieben, ſo glaub' ich.“ Der Graf ſtand vor den naͤchſten Gefuͤhls-Brettern, und Herz-Blaͤttern poetiſcher Blumen feſt; auch der Notar las den an die Welt wie an Arznei- Glaͤsgen gebundnen Gebrauchzettel herab, wel¬ cher verordnete, wie man ſchoͤne Natur einzu¬ nehmen habe, in welchen Loͤffeln und Stunden. Walten gefiel die Gefuͤhls-Anſtalt, es waren doch Antritts- oder Oſter-Programmen der Fruͤh¬ lings-Natur, Frachtbriefe der Jahrs-Zeiten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/103
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/103>, abgerufen am 16.05.2024.