Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben rettete und ihn an der Brust ins Dasein
trüge."

Indeß fand er jezt etwas besseres auf sei¬
nem Wege, einen verlohrnen Brief an Klothar.
Indem er sich umsah, ihn zu übergeben, war
der Graf unter die ins Haus gehende Gesellschaft
zurückgetreten. Er lief nach. Jener war schon
davon geritten auf ein Dorf. Es war ihm nicht
sonderlich bitter, daß er durch den Brief ein Recht
in die Hände bekam, den Grafen morgen auf
seinem eignen Zimmer aufzusuchen.

Er erstieg eilig das seinige -- nicht ohne
Freude, daß er als der einzige Gast im Hause
verbleibe, indeß alle andere daraus fort musten;
-- und besah und las ruhig droben den schon er¬
brochnen Brief -- aussen. Denn innen ihn zu
lesen, auch irgend einen andern fremden lag aus¬
ser seiner Macht. Sein Lehrer Schomaker --
der, wie Vult sagte, für Schimmelwäldgen Wald¬
ordnungen entwürfe -- behauptete, nicht einmal
gedruckte dürfe man lesen, wenn sie wider des
Verfassers Wunsch erschienen, da die Leichtigkeit
und die Theilhaber einer Sünde an dieser nichts

Leben rettete und ihn an der Bruſt ins Daſein
truͤge.“

Indeß fand er jezt etwas beſſeres auf ſei¬
nem Wege, einen verlohrnen Brief an Klothar.
Indem er ſich umſah, ihn zu uͤbergeben, war
der Graf unter die ins Haus gehende Geſellſchaft
zuruͤckgetreten. Er lief nach. Jener war ſchon
davon geritten auf ein Dorf. Es war ihm nicht
ſonderlich bitter, daß er durch den Brief ein Recht
in die Haͤnde bekam, den Grafen morgen auf
ſeinem eignen Zimmer aufzuſuchen.

Er erſtieg eilig das ſeinige — nicht ohne
Freude, daß er als der einzige Gaſt im Hauſe
verbleibe, indeß alle andere daraus fort muſten;
— und beſah und las ruhig droben den ſchon er¬
brochnen Brief — auſſen. Denn innen ihn zu
leſen, auch irgend einen andern fremden lag auſ¬
ſer ſeiner Macht. Sein Lehrer Schomaker —
der, wie Vult ſagte, fuͤr Schimmelwaͤldgen Wald¬
ordnungen entwuͤrfe — behauptete, nicht einmal
gedruckte duͤrfe man leſen, wenn ſie wider des
Verfaſſers Wunſch erſchienen, da die Leichtigkeit
und die Theilhaber einer Suͤnde an dieſer nichts

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="100"/>
Leben rettete und ihn an der Bru&#x017F;t ins Da&#x017F;ein<lb/>
tru&#x0364;ge.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Indeß fand er jezt etwas be&#x017F;&#x017F;eres auf &#x017F;ei¬<lb/>
nem Wege, einen verlohrnen Brief an Klothar.<lb/>
Indem er &#x017F;ich um&#x017F;ah, ihn zu u&#x0364;bergeben, war<lb/>
der Graf unter die ins Haus gehende Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
zuru&#x0364;ckgetreten. Er lief nach. Jener war &#x017F;chon<lb/>
davon geritten auf ein Dorf. Es war ihm nicht<lb/>
&#x017F;onderlich bitter, daß er durch den Brief ein Recht<lb/>
in die Ha&#x0364;nde bekam, den Grafen morgen auf<lb/>
&#x017F;einem eignen Zimmer aufzu&#x017F;uchen.</p><lb/>
        <p>Er er&#x017F;tieg eilig das &#x017F;einige &#x2014; nicht ohne<lb/>
Freude, daß er als der einzige Ga&#x017F;t im Hau&#x017F;e<lb/>
verbleibe, indeß alle andere daraus fort mu&#x017F;ten;<lb/>
&#x2014; und be&#x017F;ah und las ruhig droben den &#x017F;chon er¬<lb/>
brochnen Brief &#x2014; au&#x017F;&#x017F;en. Denn innen ihn zu<lb/>
le&#x017F;en, auch irgend einen andern fremden lag au&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;er &#x017F;einer Macht. Sein Lehrer Schomaker &#x2014;<lb/>
der, wie Vult &#x017F;agte, fu&#x0364;r Schimmelwa&#x0364;ldgen Wald¬<lb/>
ordnungen entwu&#x0364;rfe &#x2014; behauptete, nicht einmal<lb/>
gedruckte du&#x0364;rfe man le&#x017F;en, wenn &#x017F;ie wider des<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ers Wun&#x017F;ch er&#x017F;chienen, da die Leichtigkeit<lb/>
und die Theilhaber einer Su&#x0364;nde an die&#x017F;er nichts<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0108] Leben rettete und ihn an der Bruſt ins Daſein truͤge.“ Indeß fand er jezt etwas beſſeres auf ſei¬ nem Wege, einen verlohrnen Brief an Klothar. Indem er ſich umſah, ihn zu uͤbergeben, war der Graf unter die ins Haus gehende Geſellſchaft zuruͤckgetreten. Er lief nach. Jener war ſchon davon geritten auf ein Dorf. Es war ihm nicht ſonderlich bitter, daß er durch den Brief ein Recht in die Haͤnde bekam, den Grafen morgen auf ſeinem eignen Zimmer aufzuſuchen. Er erſtieg eilig das ſeinige — nicht ohne Freude, daß er als der einzige Gaſt im Hauſe verbleibe, indeß alle andere daraus fort muſten; — und beſah und las ruhig droben den ſchon er¬ brochnen Brief — auſſen. Denn innen ihn zu leſen, auch irgend einen andern fremden lag auſ¬ ſer ſeiner Macht. Sein Lehrer Schomaker — der, wie Vult ſagte, fuͤr Schimmelwaͤldgen Wald¬ ordnungen entwuͤrfe — behauptete, nicht einmal gedruckte duͤrfe man leſen, wenn ſie wider des Verfaſſers Wunſch erſchienen, da die Leichtigkeit und die Theilhaber einer Suͤnde an dieſer nichts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/108
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/108>, abgerufen am 16.05.2024.