Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.änderten. Eine Taube mit einem Oelzweig im Sein Bewegung bedarf keines Gemäldes, Er hielt sich jezt den ofnen Brief nahe un¬ aͤnderten. Eine Taube mit einem Oelzweig im Sein Bewegung bedarf keines Gemaͤldes, Er hielt ſich jezt den ofnen Brief nahe un¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0109" n="101"/> aͤnderten. Eine Taube mit einem Oelzweig im<lb/> Schnabel und in den Fuͤſſen flog auf dem Sie¬<lb/> gel. Der Umſchlag roch anmuthig. Er zog den<lb/> Brief daraus hervor, faltete ihn auf von wei¬<lb/> tem und las frei den Namen — <hi rendition="#g">Wina</hi>, und<lb/> legt' ihn eiligſt weg. . . „Ich will ihm alle<lb/> meine Aurikeln geben“ hatte ſie einſt in der tie¬<lb/> fen Kindheit geſagt, aus deren dunkeln uͤber¬<lb/> bluͤhten Tempe unaufhoͤrlich jene Toͤne wie be¬<lb/> deckte Nachtigallen herauf ſangen. Jezt aber<lb/> beruͤhrte die zitternde Saite — deren Klaͤnge bis¬<lb/> her ſuͤß-druͤckend ſein Herz umrungen hatten —<lb/> ſeine Finger; er hatte ordentlich die Vergangen¬<lb/> heit, die Kindheit in der Hand — Und heute<lb/> trat vollends die Unſichtbare im Konzertſaale<lb/> endlich aus der blinden Wolke —</p><lb/> <p>Sein Bewegung bedarf keines Gemaͤldes,<lb/> da jede auf jedem erſtarrt.</p><lb/> <p>Er hielt ſich jezt den ofnen Brief nahe un¬<lb/> ter die Augen, obwohl <hi rendition="#g">umgekehrt</hi> — Das<lb/> Papier war ſo blau-weiß-zart, wie eine feinſte<lb/> Haut voll Geaͤder. — Die umgeſtuͤrzte Hand¬<lb/> ſchrift ſo zierlich und gleich — Blumengewinde<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [101/0109]
aͤnderten. Eine Taube mit einem Oelzweig im
Schnabel und in den Fuͤſſen flog auf dem Sie¬
gel. Der Umſchlag roch anmuthig. Er zog den
Brief daraus hervor, faltete ihn auf von wei¬
tem und las frei den Namen — Wina, und
legt' ihn eiligſt weg. . . „Ich will ihm alle
meine Aurikeln geben“ hatte ſie einſt in der tie¬
fen Kindheit geſagt, aus deren dunkeln uͤber¬
bluͤhten Tempe unaufhoͤrlich jene Toͤne wie be¬
deckte Nachtigallen herauf ſangen. Jezt aber
beruͤhrte die zitternde Saite — deren Klaͤnge bis¬
her ſuͤß-druͤckend ſein Herz umrungen hatten —
ſeine Finger; er hatte ordentlich die Vergangen¬
heit, die Kindheit in der Hand — Und heute
trat vollends die Unſichtbare im Konzertſaale
endlich aus der blinden Wolke —
Sein Bewegung bedarf keines Gemaͤldes,
da jede auf jedem erſtarrt.
Er hielt ſich jezt den ofnen Brief nahe un¬
ter die Augen, obwohl umgekehrt — Das
Papier war ſo blau-weiß-zart, wie eine feinſte
Haut voll Geaͤder. — Die umgeſtuͤrzte Hand¬
ſchrift ſo zierlich und gleich — Blumengewinde
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/109>, abgerufen am 21.07.2024. |