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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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waren den vier Papier-Rändern eingepresset --
er besah jeden -- und gieng auf Aurikeln aus --
als er aber auf dem untern suchte, fuhr ihm
die lezte Zeile ins Auge, mit 7 lezten Worten.
Da stekt' er das Blatt erschrocken in die Hülle
zurück.

Es lautete aber das Schreiben an Klo¬
thar so:


"Wozu meine längern Kämpfe, die vielleicht
schon selber Sünden sind? Ich kann nun nach
Ihrem gestrigen entscheidenden Worte nicht die
Ihrige werden; denn ich könnte Ihnen wohl so
leicht und so gern Glück und Leben und Ruhe
opfern, aber meine Religion nicht. Ich schau¬
dere vor dem Bilde eines erklärten Abfalls. Ih¬
re religiöse Philosophie kann mich quälen, aber
nicht ändern. Die Kirche ist meine Mutter; und
nie können mich alle Beweise, daß es bessere Müt¬
ter gebe, von dem Busen der meinigen reissen.
Wenn meine Religion, wie Sie sagen, nur aus
Zeremonien besteht: so lassen Sie mir die weni¬
gen, die meine mehr hat als Ihre. Denn am

waren den vier Papier-Raͤndern eingepreſſet —
er beſah jeden — und gieng auf Aurikeln aus —
als er aber auf dem untern ſuchte, fuhr ihm
die lezte Zeile ins Auge, mit 7 lezten Worten.
Da ſtekt' er das Blatt erſchrocken in die Huͤlle
zuruͤck.

Es lautete aber das Schreiben an Klo¬
thar ſo:


„Wozu meine laͤngern Kaͤmpfe, die vielleicht
ſchon ſelber Suͤnden ſind? Ich kann nun nach
Ihrem geſtrigen entſcheidenden Worte nicht die
Ihrige werden; denn ich koͤnnte Ihnen wohl ſo
leicht und ſo gern Gluͤck und Leben und Ruhe
opfern, aber meine Religion nicht. Ich ſchau¬
dere vor dem Bilde eines erklaͤrten Abfalls. Ih¬
re religioͤſe Philoſophie kann mich quaͤlen, aber
nicht aͤndern. Die Kirche iſt meine Mutter; und
nie koͤnnen mich alle Beweiſe, daß es beſſere Muͤt¬
ter gebe, von dem Buſen der meinigen reiſſen.
Wenn meine Religion, wie Sie ſagen, nur aus
Zeremonien beſteht: ſo laſſen Sie mir die weni¬
gen, die meine mehr hat als Ihre. Denn am

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[102/0110] waren den vier Papier-Raͤndern eingepreſſet — er beſah jeden — und gieng auf Aurikeln aus — als er aber auf dem untern ſuchte, fuhr ihm die lezte Zeile ins Auge, mit 7 lezten Worten. Da ſtekt' er das Blatt erſchrocken in die Huͤlle zuruͤck. Es lautete aber das Schreiben an Klo¬ thar ſo: „Wozu meine laͤngern Kaͤmpfe, die vielleicht ſchon ſelber Suͤnden ſind? Ich kann nun nach Ihrem geſtrigen entſcheidenden Worte nicht die Ihrige werden; denn ich koͤnnte Ihnen wohl ſo leicht und ſo gern Gluͤck und Leben und Ruhe opfern, aber meine Religion nicht. Ich ſchau¬ dere vor dem Bilde eines erklaͤrten Abfalls. Ih¬ re religioͤſe Philoſophie kann mich quaͤlen, aber nicht aͤndern. Die Kirche iſt meine Mutter; und nie koͤnnen mich alle Beweiſe, daß es beſſere Muͤt¬ ter gebe, von dem Buſen der meinigen reiſſen. Wenn meine Religion, wie Sie ſagen, nur aus Zeremonien beſteht: ſo laſſen Sie mir die weni¬ gen, die meine mehr hat als Ihre. Denn am

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/110>, abgerufen am 24.11.2024.