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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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Darstellungen ausnimmt, in der Wirklichkeit auf¬
tritt und pusthet. In Romanen gefällt uns
fremde Liebe und Stolziererei und Empfindelei; --
aber drüber hinaus schlecht."

Nein, Nein, (sagte Walt) wie mir denn
dein eigener Stolz gefällt. Wenn wir uns recht
fragen, so erzürnt uns nie der Stolz selber,
sondern nur sein Mangel an Grund -- daher
kann uns oft Demuth eben so gut quälen; --
daher ist unser Haß des Stolzes kein Neid ge¬
gen Vorzüge; denn indeß wir allzeit größere über
uns anerkennen und nur erstohlne, vorgespiegel¬
te hassen: so ist unser Haß nicht Liebe gegen
uns, sondern eine gegen die Gerechtigkeit. --
"Sie philosophieren ja wie ein Graf, sagte Vult.
Hier wohnt der Graf." Mit unsäglicher Freude
sah Walt an die leuchtenden Fenster-Reihen einer
Garten-Villa hinauf, die der Gasse den glänzen¬
den Rücken zeigte und in welche ein langer Gar¬
ten durch eine breite Vorhalle von Bäumen-Ord¬
nungen führte. Izt lies Walt vor dem Bruder
eine durstige Seele in alle ihre Gedichte und Hof¬
nungen der Liebe ausbrechen. Der Flötenspieler

Darſtellungen ausnimmt, in der Wirklichkeit auf¬
tritt und puſthet. In Romanen gefaͤllt uns
fremde Liebe und Stolziererei und Empfindelei; —
aber druͤber hinaus ſchlecht.“

Nein, Nein, (ſagte Walt) wie mir denn
dein eigener Stolz gefaͤllt. Wenn wir uns recht
fragen, ſo erzuͤrnt uns nie der Stolz ſelber,
ſondern nur ſein Mangel an Grund — daher
kann uns oft Demuth eben ſo gut quaͤlen; —
daher iſt unſer Haß des Stolzes kein Neid ge¬
gen Vorzuͤge; denn indeß wir allzeit groͤßere uͤber
uns anerkennen und nur erſtohlne, vorgeſpiegel¬
te haſſen: ſo iſt unſer Haß nicht Liebe gegen
uns, ſondern eine gegen die Gerechtigkeit. —
„Sie philoſophieren ja wie ein Graf, ſagte Vult.
Hier wohnt der Graf.“ Mit unſaͤglicher Freude
ſah Walt an die leuchtenden Fenſter-Reihen einer
Garten-Villa hinauf, die der Gaſſe den glaͤnzen¬
den Ruͤcken zeigte und in welche ein langer Gar¬
ten durch eine breite Vorhalle von Baͤumen-Ord¬
nungen fuͤhrte. Izt lies Walt vor dem Bruder
eine durſtige Seele in alle ihre Gedichte und Hof¬
nungen der Liebe ausbrechen. Der Floͤtenſpieler

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[4/0012] Darſtellungen ausnimmt, in der Wirklichkeit auf¬ tritt und puſthet. In Romanen gefaͤllt uns fremde Liebe und Stolziererei und Empfindelei; — aber druͤber hinaus ſchlecht.“ Nein, Nein, (ſagte Walt) wie mir denn dein eigener Stolz gefaͤllt. Wenn wir uns recht fragen, ſo erzuͤrnt uns nie der Stolz ſelber, ſondern nur ſein Mangel an Grund — daher kann uns oft Demuth eben ſo gut quaͤlen; — daher iſt unſer Haß des Stolzes kein Neid ge¬ gen Vorzuͤge; denn indeß wir allzeit groͤßere uͤber uns anerkennen und nur erſtohlne, vorgeſpiegel¬ te haſſen: ſo iſt unſer Haß nicht Liebe gegen uns, ſondern eine gegen die Gerechtigkeit. — „Sie philoſophieren ja wie ein Graf, ſagte Vult. Hier wohnt der Graf.“ Mit unſaͤglicher Freude ſah Walt an die leuchtenden Fenſter-Reihen einer Garten-Villa hinauf, die der Gaſſe den glaͤnzen¬ den Ruͤcken zeigte und in welche ein langer Gar¬ ten durch eine breite Vorhalle von Baͤumen-Ord¬ nungen fuͤhrte. Izt lies Walt vor dem Bruder eine durſtige Seele in alle ihre Gedichte und Hof¬ nungen der Liebe ausbrechen. Der Floͤtenſpieler

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/12>, abgerufen am 29.04.2024.