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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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"Desto mehr besonderes geht hinein, versez¬
te Walt; irgend eine Stimmung muß man doch
mitbringen, warum nicht die günstigste, die
weichste, da das Herz ja ihr wahrer Sangbo¬
den ist? -- Aber deine Lehre will ich nicht ver¬
gessen, nämlich voraus- und zurückzuhören.

"Wie giengs dir sonst? fragte Vult mür¬
risch? Denn ich bleibe dabei, Wirklichkeit in die
Kunst zu knäten zum Effekt ist so eine Mischung
wie an manchen Deckengemälden, in welche der
Perspektive wegen noch wirkliche Gyps-Figuren
geklebet sind. Erzähle!" Walt -- der Vults
Murrsinn blos seiner unkünstlerischen Hörkunst zu¬
schrieb und über welchen ohnehin die Liebe ihren
Traghimmel hielt -- erzählte sanft und gern,
wie eifrig er bisher den Grafen gesucht, wie er
ihm bei Neupeter, dessen Diner er beschrieb, ge¬
genüber gesessen -- mit ihm gesprochen und an
ihm gefunden, daß er durch die stolze Gewandt¬
heit seines Geistes und durch den philosophischen
Schwung über enge Blicke und Winke dem Flö¬
tenspieler so ungemein ähnlich sei. "Du liebst
Doubletten, doch warlich hier sind keine, Freund,

„Deſto mehr beſonderes geht hinein, verſez¬
te Walt; irgend eine Stimmung muß man doch
mitbringen, warum nicht die guͤnſtigſte, die
weichſte, da das Herz ja ihr wahrer Sangbo¬
den iſt? — Aber deine Lehre will ich nicht ver¬
geſſen, naͤmlich voraus- und zuruͤckzuhoͤren.

„Wie giengs dir ſonſt? fragte Vult muͤr¬
riſch? Denn ich bleibe dabei, Wirklichkeit in die
Kunſt zu knaͤten zum Effekt iſt ſo eine Miſchung
wie an manchen Deckengemaͤlden, in welche der
Perſpektive wegen noch wirkliche Gyps-Figuren
geklebet ſind. Erzaͤhle!“ Walt — der Vults
Murrſinn blos ſeiner unkuͤnſtleriſchen Hoͤrkunſt zu¬
ſchrieb und uͤber welchen ohnehin die Liebe ihren
Traghimmel hielt — erzaͤhlte ſanft und gern,
wie eifrig er bisher den Grafen geſucht, wie er
ihm bei Neupeter, deſſen Diner er beſchrieb, ge¬
genuͤber geſeſſen — mit ihm geſprochen und an
ihm gefunden, daß er durch die ſtolze Gewandt¬
heit ſeines Geiſtes und durch den philoſophiſchen
Schwung uͤber enge Blicke und Winke dem Floͤ¬
tenſpieler ſo ungemein aͤhnlich ſei. „Du liebſt
Doubletten, doch warlich hier ſind keine, Freund,

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[138/0146] „Deſto mehr beſonderes geht hinein, verſez¬ te Walt; irgend eine Stimmung muß man doch mitbringen, warum nicht die guͤnſtigſte, die weichſte, da das Herz ja ihr wahrer Sangbo¬ den iſt? — Aber deine Lehre will ich nicht ver¬ geſſen, naͤmlich voraus- und zuruͤckzuhoͤren. „Wie giengs dir ſonſt? fragte Vult muͤr¬ riſch? Denn ich bleibe dabei, Wirklichkeit in die Kunſt zu knaͤten zum Effekt iſt ſo eine Miſchung wie an manchen Deckengemaͤlden, in welche der Perſpektive wegen noch wirkliche Gyps-Figuren geklebet ſind. Erzaͤhle!“ Walt — der Vults Murrſinn blos ſeiner unkuͤnſtleriſchen Hoͤrkunſt zu¬ ſchrieb und uͤber welchen ohnehin die Liebe ihren Traghimmel hielt — erzaͤhlte ſanft und gern, wie eifrig er bisher den Grafen geſucht, wie er ihm bei Neupeter, deſſen Diner er beſchrieb, ge¬ genuͤber geſeſſen — mit ihm geſprochen und an ihm gefunden, daß er durch die ſtolze Gewandt¬ heit ſeines Geiſtes und durch den philoſophiſchen Schwung uͤber enge Blicke und Winke dem Floͤ¬ tenſpieler ſo ungemein aͤhnlich ſei. „Du liebſt Doubletten, doch warlich hier ſind keine, Freund,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/146>, abgerufen am 16.05.2024.