pfeif' Euch etwas. Dem weich' ich jetzt ganz aus."
Walt versezte: "ich will deinem halben Ernste ganz offen antworten. Ein Dichter, für den es eigentlich gar keine gesperrten Stände giebt, und welchem sich alle öfnen sollten, darf wohl, denk' ich, die Höhen suchen, wiewohl nicht, um da zu nisten, sondern den Bienen gleich, welche eben so wohl auf die höchsten Blü¬ then fliegen, als auf die niedrigsten Blumen. Die höhern Stände, welche nahe um das sonni¬ ge Zenith des Staates leuchten, als hohe Stern¬ bilder, sind selber schon für die Poesie durch ei¬ ne Poesie aus der schweren tiefen Wirklichkeit entrückt. Welch' eine schöne freie Stellung des Lebens! Wär' es auch nur Einbildung, daß sie sich für erhoben hielten, und das zwar geistig -- denn jeder Mensch, der Reiche, der Glückliche ruht nicht eher als bis er aus seinem Glück sich ein geistiges Verdienst gemacht --: so würde dieser Wahn Wahrheit werden; wer sich achtet, den muß man achten. W[ - 1 Zeichen fehlt]ch' eine hohe Stel¬ lung, alle mit einerlei Freiheit, alles zu wer¬
pfeif' Euch etwas. Dem weich' ich jetzt ganz aus.“
Walt verſezte: „ich will deinem halben Ernſte ganz offen antworten. Ein Dichter, fuͤr den es eigentlich gar keine geſperrten Staͤnde giebt, und welchem ſich alle oͤfnen ſollten, darf wohl, denk' ich, die Hoͤhen ſuchen, wiewohl nicht, um da zu niſten, ſondern den Bienen gleich, welche eben ſo wohl auf die hoͤchſten Bluͤ¬ then fliegen, als auf die niedrigſten Blumen. Die hoͤhern Staͤnde, welche nahe um das ſonni¬ ge Zenith des Staates leuchten, als hohe Stern¬ bilder, ſind ſelber ſchon fuͤr die Poeſie durch ei¬ ne Poeſie aus der ſchweren tiefen Wirklichkeit entruͤckt. Welch' eine ſchoͤne freie Stellung des Lebens! Waͤr' es auch nur Einbildung, daß ſie ſich fuͤr erhoben hielten, und das zwar geiſtig — denn jeder Menſch, der Reiche, der Gluͤckliche ruht nicht eher als bis er aus ſeinem Gluͤck ſich ein geiſtiges Verdienſt gemacht —: ſo wuͤrde dieſer Wahn Wahrheit werden; wer ſich achtet, den muß man achten. W[ – 1 Zeichen fehlt]ch' eine hohe Stel¬ lung, alle mit einerlei Freiheit, alles zu wer¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0198"n="190"/>
pfeif' Euch etwas. Dem weich' ich jetzt ganz<lb/>
aus.“</p><lb/><p>Walt verſezte: „ich will deinem halben<lb/>
Ernſte ganz offen antworten. Ein Dichter, fuͤr<lb/>
den es eigentlich gar keine geſperrten Staͤnde<lb/>
giebt, und welchem ſich alle oͤfnen ſollten, darf<lb/>
wohl, denk' ich, die Hoͤhen ſuchen, wiewohl<lb/>
nicht, um da zu niſten, ſondern den Bienen<lb/>
gleich, welche eben ſo wohl auf die hoͤchſten Bluͤ¬<lb/>
then fliegen, als auf die niedrigſten Blumen.<lb/>
Die hoͤhern Staͤnde, welche nahe um das ſonni¬<lb/>
ge Zenith des Staates leuchten, als hohe Stern¬<lb/>
bilder, ſind ſelber ſchon fuͤr die Poeſie durch ei¬<lb/>
ne Poeſie aus der ſchweren tiefen Wirklichkeit<lb/>
entruͤckt. Welch' eine ſchoͤne freie Stellung des<lb/>
Lebens! Waͤr' es auch nur Einbildung, daß ſie<lb/>ſich fuͤr erhoben hielten, und das zwar geiſtig —<lb/>
denn jeder Menſch, der Reiche, der Gluͤckliche<lb/>
ruht nicht eher als bis er aus ſeinem Gluͤck ſich<lb/>
ein geiſtiges Verdienſt gemacht —: ſo wuͤrde<lb/>
dieſer Wahn Wahrheit werden; wer ſich achtet,<lb/>
den muß man achten. W<gapunit="chars"quantity="1"/>ch' eine hohe Stel¬<lb/>
lung, alle mit einerlei Freiheit, alles zu wer¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[190/0198]
pfeif' Euch etwas. Dem weich' ich jetzt ganz
aus.“
Walt verſezte: „ich will deinem halben
Ernſte ganz offen antworten. Ein Dichter, fuͤr
den es eigentlich gar keine geſperrten Staͤnde
giebt, und welchem ſich alle oͤfnen ſollten, darf
wohl, denk' ich, die Hoͤhen ſuchen, wiewohl
nicht, um da zu niſten, ſondern den Bienen
gleich, welche eben ſo wohl auf die hoͤchſten Bluͤ¬
then fliegen, als auf die niedrigſten Blumen.
Die hoͤhern Staͤnde, welche nahe um das ſonni¬
ge Zenith des Staates leuchten, als hohe Stern¬
bilder, ſind ſelber ſchon fuͤr die Poeſie durch ei¬
ne Poeſie aus der ſchweren tiefen Wirklichkeit
entruͤckt. Welch' eine ſchoͤne freie Stellung des
Lebens! Waͤr' es auch nur Einbildung, daß ſie
ſich fuͤr erhoben hielten, und das zwar geiſtig —
denn jeder Menſch, der Reiche, der Gluͤckliche
ruht nicht eher als bis er aus ſeinem Gluͤck ſich
ein geiſtiges Verdienſt gemacht —: ſo wuͤrde
dieſer Wahn Wahrheit werden; wer ſich achtet,
den muß man achten. W_ch' eine hohe Stel¬
lung, alle mit einerlei Freiheit, alles zu wer¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/198>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.