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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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dung, nicht zu einem abgehauenen eckigen Staats-
Gliede, sondern zu einem ganzen geformten Men¬
schen, welche ihnen Reisen, Höfe, gesellige Freu¬
den unter Gemälden, unter Tönen, und am
meisten ihre noch mehr gebildeten, schönen Frau¬
en, deren Reize kein Gewicht der Noth und Ar¬
beit erdrückte, leicht und froh zuspielen, so daß
im Staate der Adel die italienische Schule aus¬
macht, und das arme Volk die niederländi¬
sche." -- --

Der Flötenspieler hatte bisher öfters, wie¬
wohl mit verdächtiger Stimme geschworen, er
ziehe nicht eine Miene zum Lachen -- betheu¬
ert, er wolle nicht Vult heissen, wenn er die
Finsterniß benutze, und darinn still lächle --
wiederhohlt, er sei kein solcher Mann, der lache,
sondern so ernst wie ein Todtenvogel. Izt aber
lachte er hell, und sagte indeß so viel: Walt,
um wieder einmal auf deinen Grafen zu kom¬
men -- scheere dich nichts um mein dummes
Gelächter über etwas anders, ich bin doch ernst¬
haft -- den du sonach in Bildungs-Bezug
für einen Raphael hältst und dich für einen Te¬

dung, nicht zu einem abgehauenen eckigen Staats-
Gliede, ſondern zu einem ganzen geformten Men¬
ſchen, welche ihnen Reiſen, Hoͤfe, geſellige Freu¬
den unter Gemaͤlden, unter Toͤnen, und am
meiſten ihre noch mehr gebildeten, ſchoͤnen Frau¬
en, deren Reize kein Gewicht der Noth und Ar¬
beit erdruͤckte, leicht und froh zuſpielen, ſo daß
im Staate der Adel die italieniſche Schule aus¬
macht, und das arme Volk die niederlaͤndi¬
ſche.“ — —

Der Floͤtenſpieler hatte bisher oͤfters, wie¬
wohl mit verdaͤchtiger Stimme geſchworen, er
ziehe nicht eine Miene zum Lachen — betheu¬
ert, er wolle nicht Vult heiſſen, wenn er die
Finſterniß benutze, und darinn ſtill laͤchle —
wiederhohlt, er ſei kein ſolcher Mann, der lache,
ſondern ſo ernſt wie ein Todtenvogel. Izt aber
lachte er hell, und ſagte indeß ſo viel: Walt,
um wieder einmal auf deinen Grafen zu kom¬
men — ſcheere dich nichts um mein dummes
Gelaͤchter uͤber etwas anders, ich bin doch ernſt¬
haft — den du ſonach in Bildungs-Bezug
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[192/0200] dung, nicht zu einem abgehauenen eckigen Staats- Gliede, ſondern zu einem ganzen geformten Men¬ ſchen, welche ihnen Reiſen, Hoͤfe, geſellige Freu¬ den unter Gemaͤlden, unter Toͤnen, und am meiſten ihre noch mehr gebildeten, ſchoͤnen Frau¬ en, deren Reize kein Gewicht der Noth und Ar¬ beit erdruͤckte, leicht und froh zuſpielen, ſo daß im Staate der Adel die italieniſche Schule aus¬ macht, und das arme Volk die niederlaͤndi¬ ſche.“ — — Der Floͤtenſpieler hatte bisher oͤfters, wie¬ wohl mit verdaͤchtiger Stimme geſchworen, er ziehe nicht eine Miene zum Lachen — betheu¬ ert, er wolle nicht Vult heiſſen, wenn er die Finſterniß benutze, und darinn ſtill laͤchle — wiederhohlt, er ſei kein ſolcher Mann, der lache, ſondern ſo ernſt wie ein Todtenvogel. Izt aber lachte er hell, und ſagte indeß ſo viel: Walt, um wieder einmal auf deinen Grafen zu kom¬ men — ſcheere dich nichts um mein dummes Gelaͤchter uͤber etwas anders, ich bin doch ernſt¬ haft — den du ſonach in Bildungs-Bezug fuͤr einen Raphael haͤltſt und dich fuͤr einen Te¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/200>, abgerufen am 21.11.2024.