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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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Der Flötenspieler war so wortkarg und höf¬
lich gegen den Grafen als dieser selber, und
sparte Laune und Zunge nur der Flöte auf. Die
Gebrüder Harnisch wurden mit einem mehr aus
Blättern als aus Beeren gequetschten Wein be¬
wirthet. Der Graf trank keinen; Walt aber ei¬
nigen, um wie ein Schmid Verstärkungs-Was¬
ser ins Feuer zu sprengen. Vult, über den Krä¬
zer und alles aufgebracht, gieng schnell mit der
Flöte auf und ab, ohne zu blasen.

Klothar überlies ihn seiner Laune. Endlich
fieng er (lustwandelnd dabei) sein Flötenkonzert
ein wenig an, und blies aus Künstler-Kälte
gegen jenen nur obenhin -- zerstückte Phanta¬
sier-Gallopaden -- musikalische Halbfarben zu
Halbschatten -- starke Eingriffe in die Flöten-
Saiten, wie sie die Faust eines Sturmwinds auf
die Aeolsharfe thut.

Beiden Kavalieren wurde durch dieses melo¬
dramatische Absetzen das Gespräch angenehm
durchschossen, in welches sie mit einander gera¬
then durften unter solcher Musik. Der eng¬
lische Park wurde ein Postschiff, worauf bei¬

Der Floͤtenſpieler war ſo wortkarg und hoͤf¬
lich gegen den Grafen als dieſer ſelber, und
ſparte Laune und Zunge nur der Floͤte auf. Die
Gebruͤder Harniſch wurden mit einem mehr aus
Blaͤttern als aus Beeren gequetſchten Wein be¬
wirthet. Der Graf trank keinen; Walt aber ei¬
nigen, um wie ein Schmid Verſtaͤrkungs-Waſ¬
ſer ins Feuer zu ſprengen. Vult, uͤber den Kraͤ¬
zer und alles aufgebracht, gieng ſchnell mit der
Floͤte auf und ab, ohne zu blaſen.

Klothar uͤberlies ihn ſeiner Laune. Endlich
fieng er (luſtwandelnd dabei) ſein Floͤtenkonzert
ein wenig an, und blies aus Kuͤnſtler-Kaͤlte
gegen jenen nur obenhin — zerſtuͤckte Phanta¬
ſier-Gallopaden — muſikaliſche Halbfarben zu
Halbſchatten — ſtarke Eingriffe in die Floͤten-
Saiten, wie ſie die Fauſt eines Sturmwinds auf
die Aeolsharfe thut.

Beiden Kavalieren wurde durch dieſes melo¬
dramatiſche Abſetzen das Geſpraͤch angenehm
durchſchoſſen, in welches ſie mit einander gera¬
then durften unter ſolcher Muſik. Der eng¬
liſche Park wurde ein Poſtſchiff, worauf bei¬

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[210/0218] Der Floͤtenſpieler war ſo wortkarg und hoͤf¬ lich gegen den Grafen als dieſer ſelber, und ſparte Laune und Zunge nur der Floͤte auf. Die Gebruͤder Harniſch wurden mit einem mehr aus Blaͤttern als aus Beeren gequetſchten Wein be¬ wirthet. Der Graf trank keinen; Walt aber ei¬ nigen, um wie ein Schmid Verſtaͤrkungs-Waſ¬ ſer ins Feuer zu ſprengen. Vult, uͤber den Kraͤ¬ zer und alles aufgebracht, gieng ſchnell mit der Floͤte auf und ab, ohne zu blaſen. Klothar uͤberlies ihn ſeiner Laune. Endlich fieng er (luſtwandelnd dabei) ſein Floͤtenkonzert ein wenig an, und blies aus Kuͤnſtler-Kaͤlte gegen jenen nur obenhin — zerſtuͤckte Phanta¬ ſier-Gallopaden — muſikaliſche Halbfarben zu Halbſchatten — ſtarke Eingriffe in die Floͤten- Saiten, wie ſie die Fauſt eines Sturmwinds auf die Aeolsharfe thut. Beiden Kavalieren wurde durch dieſes melo¬ dramatiſche Abſetzen das Geſpraͤch angenehm durchſchoſſen, in welches ſie mit einander gera¬ then durften unter ſolcher Muſik. Der eng¬ liſche Park wurde ein Poſtſchiff, worauf bei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/218>, abgerufen am 21.11.2024.