Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Mensch. Die drei Wachskinder in meinem
Traum."

Vult fragte, um ihn von den Schmerzen
abzuführen, dringend nach dem Traum. Un¬
gern, eilig erzählte Walt: "Verhüllte Gestal¬
ten giengen vor mir vorbei und fragten mich,
warum ich nicht jammerte und nicht blaß wür¬
de. Eine nach der andern kam und fragte.
Ich zitterte vor einer ungeheuern Entschleierung.
Da flogen drei bildschöne Kinder aus Wachs
vom Himmel, sie blikten freundlich, grüsten
mich. Gebt mir die weisen Händlein und zieht
mich hinauf, sagt' ich. Sie thaten es, aber ich
riß ihnen die Arme mit der Brust aus, und sie
fielen todt herunter. Und schon als ich erwachte,
sah ich noch einen fernen dunkeln Leichenzug, der
auf den Knien weiter zog. Der Traum ist ein¬
getroffen."

Vult, dem der zornige Schmerz wie weg¬
gezaubert war, machte jezt alle Anstalten zur
Kur des fremden; er stellte ihm alles auf der
leichtern Seite vor, klagte den giftigen Schmol¬
winkel in seiner linken Herzenskammer an, in

Menſch. Die drei Wachskinder in meinem
Traum.“

Vult fragte, um ihn von den Schmerzen
abzufuͤhren, dringend nach dem Traum. Un¬
gern, eilig erzaͤhlte Walt: „Verhuͤllte Geſtal¬
ten giengen vor mir vorbei und fragten mich,
warum ich nicht jammerte und nicht blaß wuͤr¬
de. Eine nach der andern kam und fragte.
Ich zitterte vor einer ungeheuern Entſchleierung.
Da flogen drei bildſchoͤne Kinder aus Wachs
vom Himmel, ſie blikten freundlich, gruͤſten
mich. Gebt mir die weiſen Haͤndlein und zieht
mich hinauf, ſagt' ich. Sie thaten es, aber ich
riß ihnen die Arme mit der Bruſt aus, und ſie
fielen todt herunter. Und ſchon als ich erwachte,
ſah ich noch einen fernen dunkeln Leichenzug, der
auf den Knien weiter zog. Der Traum iſt ein¬
getroffen.“

Vult, dem der zornige Schmerz wie weg¬
gezaubert war, machte jezt alle Anſtalten zur
Kur des fremden; er ſtellte ihm alles auf der
leichtern Seite vor, klagte den giftigen Schmol¬
winkel in ſeiner linken Herzenskammer an, in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0233" n="225"/>
Men&#x017F;ch. Die drei Wachskinder in meinem<lb/>
Traum.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Vult fragte, um ihn von den Schmerzen<lb/>
abzufu&#x0364;hren, dringend nach dem Traum. Un¬<lb/>
gern, eilig erza&#x0364;hlte Walt: &#x201E;Verhu&#x0364;llte Ge&#x017F;tal¬<lb/>
ten giengen vor mir vorbei und fragten mich,<lb/>
warum ich nicht jammerte und nicht blaß wu&#x0364;r¬<lb/>
de. Eine nach der andern kam und fragte.<lb/>
Ich zitterte vor einer ungeheuern Ent&#x017F;chleierung.<lb/>
Da flogen drei bild&#x017F;cho&#x0364;ne Kinder aus Wachs<lb/>
vom Himmel, &#x017F;ie blikten freundlich, gru&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
mich. Gebt mir die wei&#x017F;en Ha&#x0364;ndlein und zieht<lb/>
mich hinauf, &#x017F;agt' ich. Sie thaten es, aber ich<lb/>
riß ihnen die Arme mit der Bru&#x017F;t aus, und &#x017F;ie<lb/>
fielen todt herunter. Und &#x017F;chon als ich erwachte,<lb/>
&#x017F;ah ich noch einen fernen dunkeln Leichenzug, der<lb/>
auf den Knien weiter zog. Der Traum i&#x017F;t ein¬<lb/>
getroffen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Vult, dem der zornige Schmerz wie weg¬<lb/>
gezaubert war, machte jezt alle An&#x017F;talten zur<lb/>
Kur des fremden; er &#x017F;tellte ihm alles auf der<lb/>
leichtern Seite vor, klagte den giftigen Schmol¬<lb/>
winkel in &#x017F;einer linken Herzenskammer an, in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0233] Menſch. Die drei Wachskinder in meinem Traum.“ Vult fragte, um ihn von den Schmerzen abzufuͤhren, dringend nach dem Traum. Un¬ gern, eilig erzaͤhlte Walt: „Verhuͤllte Geſtal¬ ten giengen vor mir vorbei und fragten mich, warum ich nicht jammerte und nicht blaß wuͤr¬ de. Eine nach der andern kam und fragte. Ich zitterte vor einer ungeheuern Entſchleierung. Da flogen drei bildſchoͤne Kinder aus Wachs vom Himmel, ſie blikten freundlich, gruͤſten mich. Gebt mir die weiſen Haͤndlein und zieht mich hinauf, ſagt' ich. Sie thaten es, aber ich riß ihnen die Arme mit der Bruſt aus, und ſie fielen todt herunter. Und ſchon als ich erwachte, ſah ich noch einen fernen dunkeln Leichenzug, der auf den Knien weiter zog. Der Traum iſt ein¬ getroffen.“ Vult, dem der zornige Schmerz wie weg¬ gezaubert war, machte jezt alle Anſtalten zur Kur des fremden; er ſtellte ihm alles auf der leichtern Seite vor, klagte den giftigen Schmol¬ winkel in ſeiner linken Herzenskammer an, in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/233
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/233>, abgerufen am 16.05.2024.