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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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gen dich sein werde, ist Gott und mir am besten
bekannt; denn ich kenne meine Schmol-Natur,
welche -- so sehr ich mir auf dieser Zeile das Gegen¬
theil vornehme -- so wenig, als ein schwimmen¬
der Kork in einem Gefäß Wasser, in der Mitte
bleiben kann. Ach, auf jedem frischen Drukbogen
des Lebens kommt immer unten der Haupttitel
des Werks wieder vor.

Mein Uebel aber eben ist der Schmolgeist,
esprit de depit d'amour, den mir eine der
vermaledeitesten Feen muß in die Nasenlöcher ein¬
geblasen haben. Eine schlimmere Bestie von Pol¬
ter- und Plagegeist ist mir in allen Dämonologien
und Geister-inseln noch nicht aufgestossen --.
Ordentlich als sei das Lieben nur zum Hassen da,
erbosset man sich den ganzen Tag auf das süsseste
Herz, sucht es sehr zu peinigen, breit zu drücken,
einzuquetschen, zu viertheilen, zu baizen -- --
aber wozu? -- Um es halbtod an die Brust zu
nehmen und zu schreien: o ich Höllenhund! So
gottlos hielt' ich mit Freunden Haus, noch gott¬
loser freilich mit Freundinnen --. Drei tausend
zwei hundert und fünf mal söhnt' ich mich mit

gen dich ſein werde, iſt Gott und mir am beſten
bekannt; denn ich kenne meine Schmol-Natur,
welche — ſo ſehr ich mir auf dieſer Zeile das Gegen¬
theil vornehme — ſo wenig, als ein ſchwimmen¬
der Kork in einem Gefaͤß Waſſer, in der Mitte
bleiben kann. Ach, auf jedem friſchen Drukbogen
des Lebens kommt immer unten der Haupttitel
des Werks wieder vor.

Mein Uebel aber eben iſt der Schmolgeiſt,
esprit de dépit d'amour, den mir eine der
vermaledeiteſten Feen muß in die Naſenloͤcher ein¬
geblaſen haben. Eine ſchlimmere Beſtie von Pol¬
ter- und Plagegeiſt iſt mir in allen Daͤmonologien
und Geiſter-inſeln noch nicht aufgeſtoſſen —.
Ordentlich als ſei das Lieben nur zum Haſſen da,
erboſſet man ſich den ganzen Tag auf das ſuͤſſeſte
Herz, ſucht es ſehr zu peinigen, breit zu druͤcken,
einzuquetſchen, zu viertheilen, zu baizen — —
aber wozu? — Um es halbtod an die Bruſt zu
nehmen und zu ſchreien: o ich Hoͤllenhund! So
gottlos hielt' ich mit Freunden Haus, noch gott¬
loſer freilich mit Freundinnen —. Drei tauſend
zwei hundert und fuͤnf mal ſoͤhnt' ich mich mit

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[16/0024] gen dich ſein werde, iſt Gott und mir am beſten bekannt; denn ich kenne meine Schmol-Natur, welche — ſo ſehr ich mir auf dieſer Zeile das Gegen¬ theil vornehme — ſo wenig, als ein ſchwimmen¬ der Kork in einem Gefaͤß Waſſer, in der Mitte bleiben kann. Ach, auf jedem friſchen Drukbogen des Lebens kommt immer unten der Haupttitel des Werks wieder vor. Mein Uebel aber eben iſt der Schmolgeiſt, esprit de dépit d'amour, den mir eine der vermaledeiteſten Feen muß in die Naſenloͤcher ein¬ geblaſen haben. Eine ſchlimmere Beſtie von Pol¬ ter- und Plagegeiſt iſt mir in allen Daͤmonologien und Geiſter-inſeln noch nicht aufgeſtoſſen —. Ordentlich als ſei das Lieben nur zum Haſſen da, erboſſet man ſich den ganzen Tag auf das ſuͤſſeſte Herz, ſucht es ſehr zu peinigen, breit zu druͤcken, einzuquetſchen, zu viertheilen, zu baizen — — aber wozu? — Um es halbtod an die Bruſt zu nehmen und zu ſchreien: o ich Hoͤllenhund! So gottlos hielt' ich mit Freunden Haus, noch gott¬ loſer freilich mit Freundinnen —. Drei tauſend zwei hundert und fuͤnf mal ſoͤhnt' ich mich mit

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/24>, abgerufen am 29.04.2024.