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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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den oder doch würden. Der Notar, der aus
seiner Abbestellung das Widerspiel wuste, fuhr
ordentlich vor der aufgeschobenen Herzens-Szene
zusammen, die ihm entgangen war, "ich glaube,
ich sterbe -- dacht' er, -- vor Liebe gegen zwei
solche Menschen, die ich auf einmal in ihrer fän¬
de, den Kontrakt würd' ich ohnehin mit zehn¬
tausend Fehlern aufsetzen, und stände mein Kopf
darauf."

Er hörte aber noch mehr. "Der Graf, sag¬
te die Wirthstafel, heirathe sie bei seinem Reich¬
thum nur der Schönheit und Ausbildung we¬
gen, denn er habe zehnmal mehr Geld als der
General Schulden. "Was thuts, sagt ein un¬
beweibter Komödiant, der Väter machte,
die Hehre soll die Liebe und Charis selber sein."
-- "Zwar die Mutter in Leipzig glaub' ich --
versezte ein Konsistorial-Sekretair -- konsentiert
bequem, da sie lutherischer Konfession ist, so gut,
wie der Bräutigam; aber der Vater" -- --
Wie so? fragte der Komödiant. "Tochter und
Vater sind nämlich Katholiken" antwortete der
Sekretair. -- "Wird sie die Religion changieren?"

den oder doch wuͤrden. Der Notar, der aus
ſeiner Abbeſtellung das Widerſpiel wuſte, fuhr
ordentlich vor der aufgeſchobenen Herzens-Szene
zuſammen, die ihm entgangen war, „ich glaube,
ich ſterbe — dacht' er, — vor Liebe gegen zwei
ſolche Menſchen, die ich auf einmal in ihrer faͤn¬
de, den Kontrakt wuͤrd' ich ohnehin mit zehn¬
tauſend Fehlern aufſetzen, und ſtaͤnde mein Kopf
darauf.“

Er hoͤrte aber noch mehr. „Der Graf, ſag¬
te die Wirthstafel, heirathe ſie bei ſeinem Reich¬
thum nur der Schoͤnheit und Ausbildung we¬
gen, denn er habe zehnmal mehr Geld als der
General Schulden. „Was thuts, ſagt ein un¬
beweibter Komoͤdiant, der Vaͤter machte,
die Hehre ſoll die Liebe und Charis ſelber ſein.“
— „Zwar die Mutter in Leipzig glaub' ich —
verſezte ein Konſiſtorial-Sekretair — konſentiert
bequem, da ſie lutheriſcher Konfeſſion iſt, ſo gut,
wie der Braͤutigam; aber der Vater“ — —
Wie ſo? fragte der Komoͤdiant. „Tochter und
Vater ſind naͤmlich Katholiken“ antwortete der
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[34/0042] den oder doch wuͤrden. Der Notar, der aus ſeiner Abbeſtellung das Widerſpiel wuſte, fuhr ordentlich vor der aufgeſchobenen Herzens-Szene zuſammen, die ihm entgangen war, „ich glaube, ich ſterbe — dacht' er, — vor Liebe gegen zwei ſolche Menſchen, die ich auf einmal in ihrer faͤn¬ de, den Kontrakt wuͤrd' ich ohnehin mit zehn¬ tauſend Fehlern aufſetzen, und ſtaͤnde mein Kopf darauf.“ Er hoͤrte aber noch mehr. „Der Graf, ſag¬ te die Wirthstafel, heirathe ſie bei ſeinem Reich¬ thum nur der Schoͤnheit und Ausbildung we¬ gen, denn er habe zehnmal mehr Geld als der General Schulden. „Was thuts, ſagt ein un¬ beweibter Komoͤdiant, der Vaͤter machte, die Hehre ſoll die Liebe und Charis ſelber ſein.“ — „Zwar die Mutter in Leipzig glaub' ich — verſezte ein Konſiſtorial-Sekretair — konſentiert bequem, da ſie lutheriſcher Konfeſſion iſt, ſo gut, wie der Braͤutigam; aber der Vater“ — — Wie ſo? fragte der Komoͤdiant. „Tochter und Vater ſind naͤmlich Katholiken“ antwortete der Sekretair. — „Wird ſie die Religion changieren?“

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/42>, abgerufen am 29.04.2024.