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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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Leider wie Moses saß er mit leuchtendem Antliz
und mit schwerer Zunge da, weil er schon zu
lange mit dem Vorsatze gepasset, in das aufge¬
tischte Zungen- und Lippen-Gehäcke, das er fast
roh und unbedeutend fand, etwas bedeutendes
seiner Seits zu werfen, da es ihm unmöglich
war, etwas Rohes wie der Kaufmann zu sagen:
ein Westphale, der einen feinen Faden spinnt, ist
gar nicht vermögend einen groben zu ziehen. Je
länger ein Mensch seinen sonnigen Aufgang ver¬
schob, desto glänzender, glaubt er, müst' er
aufgehen und sinnet auf eine Sonne dazu; könnt'
er endlich mit einer Sonne einfallen, so fehlt
ihm wieder der schickliche Osten zum Aufgang
und in Westen will er nicht gern zuerst em¬
por. Auf diese Weise sagen nun die Menschen
hienieden nichts.

Walt legte sich indes auf Thaten. Die bei¬
den Töchter Neupeters hatten unter allen schönen
Gesichtern, die er je gesehen, die häslichsten.
Nicht einmal der Notarius, der wie alle Dich¬
ter zu den weiblichen Schönheits-Mitteln gehör¬
te, und nur wenige Wochen und Empfindun¬

Leider wie Moſes ſaß er mit leuchtendem Antliz
und mit ſchwerer Zunge da, weil er ſchon zu
lange mit dem Vorſatze gepaſſet, in das aufge¬
tiſchte Zungen- und Lippen-Gehaͤcke, das er faſt
roh und unbedeutend fand, etwas bedeutendes
ſeiner Seits zu werfen, da es ihm unmoͤglich
war, etwas Rohes wie der Kaufmann zu ſagen:
ein Weſtphale, der einen feinen Faden ſpinnt, iſt
gar nicht vermoͤgend einen groben zu ziehen. Je
laͤnger ein Menſch ſeinen ſonnigen Aufgang ver¬
ſchob, deſto glaͤnzender, glaubt er, muͤſt' er
aufgehen und ſinnet auf eine Sonne dazu; koͤnnt'
er endlich mit einer Sonne einfallen, ſo fehlt
ihm wieder der ſchickliche Oſten zum Aufgang
und in Weſten will er nicht gern zuerſt em¬
por. Auf dieſe Weiſe ſagen nun die Menſchen
hienieden nichts.

Walt legte ſich indes auf Thaten. Die bei¬
den Toͤchter Neupeters hatten unter allen ſchoͤnen
Geſichtern, die er je geſehen, die haͤslichſten.
Nicht einmal der Notarius, der wie alle Dich¬
ter zu den weiblichen Schoͤnheits-Mitteln gehoͤr¬
te, und nur wenige Wochen und Empfindun¬

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[71/0079] Leider wie Moſes ſaß er mit leuchtendem Antliz und mit ſchwerer Zunge da, weil er ſchon zu lange mit dem Vorſatze gepaſſet, in das aufge¬ tiſchte Zungen- und Lippen-Gehaͤcke, das er faſt roh und unbedeutend fand, etwas bedeutendes ſeiner Seits zu werfen, da es ihm unmoͤglich war, etwas Rohes wie der Kaufmann zu ſagen: ein Weſtphale, der einen feinen Faden ſpinnt, iſt gar nicht vermoͤgend einen groben zu ziehen. Je laͤnger ein Menſch ſeinen ſonnigen Aufgang ver¬ ſchob, deſto glaͤnzender, glaubt er, muͤſt' er aufgehen und ſinnet auf eine Sonne dazu; koͤnnt' er endlich mit einer Sonne einfallen, ſo fehlt ihm wieder der ſchickliche Oſten zum Aufgang und in Weſten will er nicht gern zuerſt em¬ por. Auf dieſe Weiſe ſagen nun die Menſchen hienieden nichts. Walt legte ſich indes auf Thaten. Die bei¬ den Toͤchter Neupeters hatten unter allen ſchoͤnen Geſichtern, die er je geſehen, die haͤslichſten. Nicht einmal der Notarius, der wie alle Dich¬ ter zu den weiblichen Schoͤnheits-Mitteln gehoͤr¬ te, und nur wenige Wochen und Empfindun¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/79>, abgerufen am 21.11.2024.