Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.gen brauchte, um ein Wüsten-Gesicht mit Rei¬ gen brauchte, um ein Wuͤſten-Geſicht mit Rei¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0080" n="72"/> gen brauchte, um ein Wuͤſten-Geſicht mit Rei¬<lb/> zen anzuſaͤen, haͤtte ſich darauf einlaſſen koͤnnen,<lb/> eine und die andere Phantaſie-Blumen in Jah¬<lb/> ren auf beide Stengel fertig zu ſticken. Es war<lb/> zu ſchwer. Da er nun gegen nichts ſo viel Mit¬<lb/> leiden trug als gegen eine weibliche Haͤslichkeit,<lb/> die er fuͤr einen lebenslangen Schmerz hielt: ſo<lb/> ſah er die Blonde, (Raphaele hies ſie), die ihm<lb/> zum Gluͤcke Blickſchuß-recht ſaß, in einem<lb/> fort mit unbeſchreiblicher Liebe an, um ihr da¬<lb/> durch zu verrathen, hoft' er, wie wenig er ſich<lb/> von ihren Geſichts-Ecken abſtoßen laſſe. Auch<lb/> auf die Bruͤnette, Namens Engelberta, lies er<lb/> von Zeit zu Zeit einen ſanften ruhenden Seiten¬<lb/> blick anfallen, wiewohl er ſie wegen ihrer Luſtig¬<lb/> keit nur eines mattern Mitleids wuͤrdigte. Es<lb/> ſtaͤrkte und erquickte ihn ordentlich bei ſeinem Mit¬<lb/> leiden, daß beide Maͤdgen mit Puz und Pracht<lb/> jeden weiblichen Neid auf ſich zogen; — als<lb/> vergoldete Wirthſchaftsbirnen, geſchminkte Blat¬<lb/> ternarben, in herrlichen Franz gebundene Leber¬<lb/> reime muſte man ſie anerkennen. Hoch muſt' er<lb/> bei dieſer Denkungsart den ſympathetiſchen Nach¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0080]
gen brauchte, um ein Wuͤſten-Geſicht mit Rei¬
zen anzuſaͤen, haͤtte ſich darauf einlaſſen koͤnnen,
eine und die andere Phantaſie-Blumen in Jah¬
ren auf beide Stengel fertig zu ſticken. Es war
zu ſchwer. Da er nun gegen nichts ſo viel Mit¬
leiden trug als gegen eine weibliche Haͤslichkeit,
die er fuͤr einen lebenslangen Schmerz hielt: ſo
ſah er die Blonde, (Raphaele hies ſie), die ihm
zum Gluͤcke Blickſchuß-recht ſaß, in einem
fort mit unbeſchreiblicher Liebe an, um ihr da¬
durch zu verrathen, hoft' er, wie wenig er ſich
von ihren Geſichts-Ecken abſtoßen laſſe. Auch
auf die Bruͤnette, Namens Engelberta, lies er
von Zeit zu Zeit einen ſanften ruhenden Seiten¬
blick anfallen, wiewohl er ſie wegen ihrer Luſtig¬
keit nur eines mattern Mitleids wuͤrdigte. Es
ſtaͤrkte und erquickte ihn ordentlich bei ſeinem Mit¬
leiden, daß beide Maͤdgen mit Puz und Pracht
jeden weiblichen Neid auf ſich zogen; — als
vergoldete Wirthſchaftsbirnen, geſchminkte Blat¬
ternarben, in herrlichen Franz gebundene Leber¬
reime muſte man ſie anerkennen. Hoch muſt' er
bei dieſer Denkungsart den ſympathetiſchen Nach¬
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